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Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle.[30] Für Rechtsmittel gilt ganz generell: Hat der Gesetzgeber mehrere Instanzen geschaffen, darf nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und auch nach den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. z.B. Art. 67 Abs. 1 LV BW) der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden.[31] Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht – wie hier die §§ 124, 124a VwGO – den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten. Aus diesem Grunde dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert.[32]

[30] BVerfG, Beschl. v. 26.8.2004 – 1 BvR 1446/04, NVwZ 2005, 438; BVerfGE 40, 272, 275; 84, 59, 77; 93, 1, 13; st. Rspr.
[31] StGH BW v. 15.2.2016 – 1 VB 57/14, VBlBW 2016, 241; VerfGH des Landes Berlin, Beschl. v. 14.5.2014 – VerfGH 80/12.
[32] StGH BW, 15.2.2016 – 1 VB 57/14, VBlBW 2016, 241; vgl. auch StGH BW, Beschl. v. 17.7.2014 – 1 VB 131/13 u.a., juris Rn 32; BVerfGE 125, 104 = juris Rn 88; BVerfG, Beschl. v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11, juris Rn 34.

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