Rz. 67

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind daran auszurichten, dass der Gesetzgeber hiermit negativ an die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass des Gerichtsbescheids (§ 84 VwGO) und die Übertragung an den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) anknüpfen wollte.

 

Rz. 68

Dass das VG über eine Klage durch Gerichtsbescheid entschieden hat, schließt die Bejahung besonderer Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ebenso wenig aus, wie die Tatsache, dass eine Übertragung auf den Einzelrichter unterblieb, das OVG dazu zwingt, für das Berufungszulassungsverfahren von einer besonderen Schwierigkeit der Rechtssache auszugehen. Ob eine Rechtssache besondere Schwierigkeiten aufweist, ist vom OVG mit Blick auf das Vorbringen im Zulassungsantrag unter Berücksichtigung der Tatsachenaufklärung und rechtlichen Würdigung des VG zu entscheiden.[74]

 

Rz. 69

Eine Streitsache weist hiernach keine besonderen Schwierigkeiten im vorbeschriebenen Sinne auf, wenn ihre Entscheidung voraussichtlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren im Sinne von überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten verursachen wird. Es handelt sich also um solche Rechtsstreitigkeiten, die ohne weiteres durch einfache Anwendung einer eindeutigen Rechtsvorschrift auf einen klar zutage liegenden Sachverhalt gelöst werden können.[75] "Besondere rechtliche Schwierigkeiten" der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bestehen im Übrigen nur dann, wenn die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder aufgrund der zugrunde liegenden Rechtsmaterie in rechtlicher Hinsicht größere, also das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht, mithin signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitsachen abweicht.[76] Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO soll allerdings eine allgemeine Fehlerkontrolle nur in solchen Fällen ermöglichen, die dazu besonderen Anlass geben.[77] So müssen die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten zugleich entscheidungserheblich sein.[78] Besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind daher regelmäßig dann zu verneinen, wenn keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochten Entscheidung bestehen.[79]

 

Rz. 70

Im Wesentlichen wird es bei § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darum gehen, dass der Fall überdurchschnittliche Schwierigkeiten innerhalb des Spektrums verwaltungsgerichtlicher Fälle aufweist.[80] Die Anforderungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn im Zulassungsantrag besondere, regelmäßig in der hohen Komplexität der Tatsachen- oder Rechtslage begründete Schwierigkeiten der Streitsache näher dargelegt werden.[81]

 

Rz. 71

Nach a.A. liegen besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art erst dann vor, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantwortet werden können bzw. wenn die Angriffe begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.[82] Die Problematik dieses Tatbestandsmerkmals liegt auch darin, dass spezialisierte Fachsenate Qualität und Quantität der Frage nach der "Schwierigkeit" vor dem Hintergrund ihrer eigenen Spezialisierung beantworten könnten. Auch hier sind aber keine überspannten Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen und an die Darlegung der Gründe zu stellen. Die Anforderungen an die Darlegung müssen daher so gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand erfüllt werden können.[83]

 

Rz. 72

Eine Darlegung dieses Grundes erfordert, dass in fallbezogener Auseinandersetzung mit dem Urteil des VG dargetan wird, inwieweit sich die benannten Schwierigkeiten im Vergleich mit Verfahren durchschnittlicher Schwierigkeit als "besondere" darstellen. Die bloße Behauptung, die vorhandenen Erkenntnisse hätten die Anforderung einer MPU nicht gerechtfertigt, genügt hierfür z.B. jedenfalls nicht.[84] Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, konkret zu benennen und es ist anzugeben, aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet.[85]

[74] OVG Saarland, Beschl. v. 1.4.1999 – 1 Q 13/99, SKZ 1999, 277, Ls.; Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn 123; dazu auch Kopp/Schenke, § 124 Rn 8.
[75] NdsOVG zfs 1999, 405 m.w.N.; HambOVG NVwZ-RR 2000, 190 m.w.N. Die Auslegung des Begriffs ist allerdings umstritten; vgl. dazu Guckelberger, DÖV 1999, 937, 941 f.
[76] Vgl. VGH BW, Beschl. v. 22.4. 1997 – 14 S 913/97, NVwZ 1997, 1230 = juris; NdsO...

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