Rz. 83

Neben der konkreten Benennung eines Zulassungsgrundes bedarf es näherer Erläuterung, aus welchen Gründen der geltend gemachte Zulassungsgrund vorliegen soll. Erforderlich ist daher z.B. in Bezug auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder gar eine unter Verweis auf eine "Vermeidung von Wiederholungen" erfolgte Bezugnahme darauf genügt diesen Anforderungen nicht. Es gehört nicht zu den Aufgaben des OVG in Berufungszulassungsverfahren, mit eigenem Überlegungs- und Auslegungsaufwand zu ermitteln oder auch nur zu "vermuten", welchem Zulassungstatbestand i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO sich ein in der Form einer Berufungsbegründung gehaltener Sachvortrag zuordnen lassen könnte.[109]

 

Rz. 84

Die Zulassung setzt voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO bezeichneten Zulassungsgründe eindeutig geltend gemacht wird und aus sich heraus verständlich näher dargelegt wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen. Erforderlich sind qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinander setzen.

 

Rz. 85

Das bloße Benennen oder Geltendmachen eines Zulassungsgrundes genügt dem Darlegungserfordernis ebenso wenig wie eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens.[110] Notwendig ist, dass der ASt. sich hinsichtlich der problematisierten Feststellungen mit der erstinstanzlichen Entscheidung substantiiert auseinander setzt.[111] Die demnach gebotene Darlegung erfordert es, dass ein Zulassungsgrund i.S.d. § 124 Abs. 2 VwGO deutlich bezeichnet und in Auseinandersetzung mit dem Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung aufgeführt werden muss, aus welchen Gesichtspunkten der behauptete Zulassungsgrund vorliegen soll.[112]

 

Rz. 86

Die Darlegungsanforderungen dürfen aber keineswegs überspannt werden. Das Darlegungserfordernis darf nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des Rechtsweges in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert.[113]

 

Rz. 87

Bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung muss die Berufung auch ohne Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen werden können. Zumindest sind in einem solchen Fall weniger restriktive Maßstäbe anzulegen.[114] Die Anforderungen an die Darlegung der ernstlichen Zweifel dürfen auch nicht darauf hinauslaufen, dass der Rechtsmittelführer im Zulassungsantrag eine Argumentation liefern müsste, die sich in allen Nuancen mit den Erwägungen deckt, aus denen heraus das OVG das angegriffene Urteil für falsch hält, er also im Zulassungsantrag genau die spätere Argumentationslinie des OVG treffen müsste.[115]

 

Rz. 88

Das Vorbringen in der Begründung des Berufungszulassungsantrages muss zumindest der Sache nach eindeutig einem oder mehreren Zulassungsgründen zuzuordnen sein. Wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, ist die Verwerfung des Antrags als unzulässig nicht zu beanstanden.[116]

 

Rz. 89

Hat sich der Kläger in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht ausdrücklich auf einen der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend genannten Zulassungsgründe berufen, ergibt sich aber eindeutig, dass er z.B. "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils" i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend machen will, so reicht dieser stillschweigend geltend gemachte Zulassungsgrund aus, um die Sachentscheidungsvoraussetzung des § 124a Abs. 1 S. 4 VwGO als erfüllt anzusehen.[117]

Wird kein gesetzlicher Zulassungsgrund benannt, sondern nach Art einer Berufungsbegründung vorgetragen, weshalb der Kläger das Urteil des VG für fehlerhaft hält, so ist die fehlende Bezeichnung eines Zulassungsgrundes jedenfalls dann unschädlich, wenn sich das Vorbringen des Klägers hinreichend sicher einem der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe zuordnen lässt.[118]

 

Rz. 90

Befasst sich allerdings die Begründung eines Berufungszulassungsantrages – ohne Nennung eines Zulassungstatbestandes i.S.d. § 124 Abs. 2 VwGO – nicht konkret mit Aussagen der erstinstanzlichen Entscheidung, sondern ausschließlich allgemein in der Art einer Berufungsbegründung mit für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren aus Sicht des Rechtsmittelführers bedeutsamen Aspekten des Falles, so kann hierin – auch bei gebotener Auslegung – keine Geltendmachung einer "offensichtlichen Unrichtigkeit" i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erblickt we...

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