1. Voraussetzungen

 

Rz. 241

Aufgrund mehrerer Verurteilungen Deutschlands durch den EGMR aufgrund von überlanger Verfahrensdauer wurden mit Gesetz vom 24.11.2011, in Kraft ab 3.12.2011, geändert durch Gesetz vom 6.12.2011, die §§ 198201 GVG eingefügt. Im neuen § 198 GVG ist seitdem die Entschädigung, die aufgrund von überlanger Verfahrensdauer entsteht, geregelt. Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei nicht um einen Anspruch auf ein schnelles Verfahren, sondern nur auf Entschädigung handelt. Eine solche Entschädigung wird jedoch gem. § 198 Abs. 3 S. 1 GVG nur gewährt, wenn die überlange Verfahrensdauer im Verfahren gerügt wird (Verzögerungsrüge).[173] Bei Einreichung der Rüge entstehen weder Gerichtsgebühren noch Anwaltsgebühren.[174]

Zu den Voraussetzungen einer Verzögerungsrüge:

Nur ein Verfahrensbeteiligter kann einen Entschädigungsanspruch erheben. Wer dies ist, wird in § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG bestimmt.[175]
Zudem muss ein Gerichtsverfahren betroffen sein. Dies bestimmt sich nach § 198 Abs. 6 Nr. 1.
Des Weiteren muss eine unangemessene Dauer vorliegen. Hier wurde keine Fristenlösung eingeführt, vielmehr handelt es sich um einen (gerichtlich voll überprüfbaren) unbestimmten Rechtsbegriff, der von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Kriterien sind nach dem EGMR die Schwierigkeit des Falles, die Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer sowie das Verhalten der Beteiligten.[176] Der Zeitraum von sechs Monaten gilt nur für die Wiederholungsrüge gem. § 198 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 GVG.
Diese Dauer ist zu rügen. Dabei ist zu beachten, dass eine Rüge zu früh erhoben werden kann und somit gegenstandslos ist; eine zu späte Erhebung ist jedoch im Gegenzug nicht möglich.[177]

Gem. § 198 Abs. 5 kann eine Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge, spätestens jedoch sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft bezüglich des maßgeblichen Verfahrens erhoben werden.

[173] Zur Rüge wegen überlanger Verfahrensdauer vgl. im Einzelnen Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren; Althammer/Schäuble, Effektiver Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer – Das neue Gesetz aus zivilrechtlicher Perspektive, NJW 2012, 1.
[174] MüKoZPO/Zimmermann, § 198 GVG Rn 63.
[175] Vgl. im Einzelnen MüKoZPO/Zimmermann, § 198 GVG Rn 15 ff.
[176] Ausführlich MüKoZPO/Zimmermann, § 198 GVG Rn 30 ff.; EGMR NJW 2011, 1055. Vgl. zu den Kriterien des BVerfG: BVerfG NJW 2005, 3488; BVerfG NJW-RR 2010, 207; BVerfG NVwZ-RR 2011, 625.
[177] Link/van Dorp, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, C.I.5. (Rn 50) zum Fall einer "höchst vorsorglichen Rüge" zu Beginn des Verfahrens. In einem solchen Fall ist schon das Tatbestandsmerkmal nach § 198 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 GVG nicht erfüllt.

2. Muster: Verzögerungsrüge

 

Rz. 242

Muster 57.62: Verzögerungsrüge

 

Muster 57.62: Verzögerungsrüge

In dem Rechtsstreit

des _____

– Kläger –

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte _____

gegen _____

– Beklagter –

wird die Dauer des Verfahrens gem. § 198 Abs. 3 S. 1 GVG gerügt.

Begründung:

Aufgrund der bisherigen Behandlung der Angelegenheit durch die Kammer besteht für den Kläger Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren unangemessen verzögert wird.

_____ (nähere Begründung)

(Rechtsanwalt)

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