Die 2. Tatbestandsvoraussetzung für eine Entschädigung nach § 198 GVG ist, dass der Betroffene die Verzögerung in dem Verfahren ausdrücklich rügt.[1] Dieser Verzögerungsrüge kommt dabei insbesondere eine Warnfunktion für das Gericht zu.[2] Die Rüge ist nicht zwingend zu begründen, doch wird eine Begründung im Regelfall angezeigt sein.[3]

Wird die Rüge nicht erhoben, liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, die zu einem Ausschluss des Anspruchs führt.[4]

Die Rüge kann nach § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG erst erhoben werden, wenn Anlass zur Sorge besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. In einem finanzgerichtlichen Verfahren ohne wesentliche Besonderheiten ist eine Rüge nach einem Jahr und acht Monaten jedenfalls nicht als verfrüht anzusehen.[5] Eine Wiederholung einer Rüge kann frühestens 6 Monate nach einer ersten Rüge erfolgen, es sei denn aufgrund der Umstände kommt ausnahmsweise eine vorzeitige Rüge in Betracht. Eine verfrühte Rüge entfaltet also grundsätzlich keine Wirkung.[6] Unverkennbar ist damit, dass es im Einzelfall schwierig sein kann, den zutreffenden Zeitpunkt für die Erstrüge und spätere Wiederholungsrügen zu finden.[7]

Zu beachten ist auch, dass eine etwaige Klage auf einen Entschädigungsanspruch frühestens 6 Monate nach der erstmaligen Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann.[8] Sie muss darüber hinaus spätestens 6 Monate nach der Rechtskraft der Entscheidung erhoben werden, die das Verfahren beendet hat, welches übermäßig lange gedauert hat. Wichtig ist aber, dass auch nach dem Ablauf dieser Frist zwar das besondere Verfahren nach den §§ 198 ff. GVG ausgeschlossen ist, aber nicht ein Anspruch in einem normalen Amtshaftungsprozess gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG.[9]

[2] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 FGO Rz. 14.
[3] Stapperfend, in Gräber, FGO, 9. Auflage 2019, § 155 FGO Rz. 68.
[4] Schwarz, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 155 FGO Rz. 105.
[5] BFH, Urteil v. 8.10.2019, X K 1/19, BFH/V 2020, S. 98.
[6] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 155 FGO Rz. 14; auch BFH, Urteil v. 26.10.2016, X K 2/15, BStBl 2017 S. 135.
[7] Böcker, Neuer Rechtsschutz gegen überlange Dauer finanzgerichtlicher Verfahren, DStR 2011 S. 2173 (2176).
[9] Mack/Wollweber, Neues Gesetz zur Entschädigung bei überlangen Gerichts- und Steuerstrafverfahren, Stbg 2012 S. 7 (10).

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