Rz. 45

Es kommt immer wieder vor, dass man bei Vergleichsverhandlungen vor Gericht verfahrensfremde Ansprüche mit erledigt. Um keine Gebühren zu verschenken, muss man stets darauf achten, diese verfahrensfremden Ansprüche als sog. Mehrvergleich mit abzurechnen. Stets zu berücksichtigen ist dabei die Vorschrift des § 15 Abs. 3 RVG. Wie abgerechnet wird, zeigen die folgenden Beispiele.

a) Mehrvergleich nicht rechtshängiger Ansprüche

 

Rz. 46

 

Abrechnungsbeispiel 1

Im Prozess werden 2.000 EUR eingeklagt. Im Termin kommt es zum Vergleichsabschluss, bei dem auch ein weiterer zwischen den Parteien streitiger – nicht anhängiger – Anspruch über 10.000 EUR mit erledigt wird. Sämtliche Ansprüche sind erörtert worden.

Es sind folgende Gebühren entstanden:

 
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 2.000,00 EUR 215,80,00 EUR
0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG aus 10.000,00 EUR 491,20 (EUR)
  Summe der Verfahrensgebühren (707,00 EUR)
  Insgesamt darf nach § 15 Abs. 3 RVG die Summe der Verfahrensgebühren nicht höher sein als die 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert in Höhe von 12.000,00 EUR  
  keine Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG 707,00 EUR
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG aus dem Gesamtstreitwert von 12.000,00 EUR 799,20 EUR
1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG aus 2.000,00 EUR 166,00 EUR
1,5 Einigungsgebühr Nr. 1000 VV RVG aus 10.000,00 EUR (921,00)
  Summe der Einigungsgebühren 1087,00 EUR
  Insgesamt darf nach § 15 Abs. 3 RVG die Summe der Einigungsgebühren nicht höher sein als die 1,5 Einigungsgebühr aus dem Gesamtstreitwert in Höhe von 12.000,00 EUR (999,00)
  Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG auf: 999,00 EUR
Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe netto: 2.525,00 EUR

Der Mandant schuldet folglich 2.525,00 EUR netto (zuzüglich USt und sonstiger etwaig angefallener Kosten z.B. Reisekosten).

 

Rz. 47

 

Abrechnungsbeispiel 2

14.000 EUR sind eingeklagt. Der Kläger behauptet, Anspruch auf weitere noch nicht anhängig gemachte Ansprüche i.H.v. 7.000 EUR zu haben. Die Einigung erfolgt bzgl. einer Zahlung von 15.000 EUR. Damit sind sämtliche Ansprüche erledigt, (siehe hierzu Enders, RVG für Anfänger, Rn 1293).

Es sind folgende Verfahrens- und Einigungsgebühren entstanden:

 
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 14.000,00 EUR 933,40 EUR
0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG aus 7.000,00 EUR (356,80 EUR)
  Summe der Verfahrensgebühren: (1.290,20 EUR)
  Insgesamt darf nach § 15 Abs. 3 RVG die Summe der Verfahrensgebühren nicht höher sein als die 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert in Höhe von 21.000,00 EUR (1.068,60 EUR)
  Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG auf: 1.068,60 EUR
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG aus dem Gesamtstreitwert 21.000,00 EUR 986,40 EUR
1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV RVG aus 14.000,00 EUR 718,00 EUR
1,5 Einigungsgebühr Nr. 1000 VV RVG aus 7.000,00 EUR (669,00 EUR)
  Summe der Einigungsgebühren: (1.387,00 EUR)
  Insgesamt darf nach § 15 Abs. 3 RVG die Summe der Einigungsgebühren nicht höher sein als die 1,5 Einigungsgebühr aus dem Gesamtstreitwert in Höhe von 21.000,00 EUR (1.233,00 EUR)
  Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG auf: 1.233,00 EUR
Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe netto: 3.308,00 EUR

Der Mandant schuldet folglich 3.308,00 EUR netto (zuzüglich USt und sonstiger etwaig angefallener Kosten z.B. Reisekosten.

Zu der Frage, ob im Abrechnungsbeispiel 2 noch zusätzlich eine Terminsgebühr nach dem Gesamtstreitwert oder nur nach dem eingeklagten Streitwert von 14.000 EUR berechnet werden kann, ist zu beachten, dass bei nicht anhängigen Ansprüchen nach Nr. 3014 Abs. 3 VV RVG zusätzliche Voraussetzung für deren Entstehung ist, dass im Termin insoweit nicht nur beantragt wurde, eine Einigung zu protokollieren, sondern dass diese Ansprüche auch erörtert worden sind. In diesem Fall entsteht die Terminsgebühr nach dem Gesamtstreitwert. Dies wird nochmals bestätigt in dem Beschluss des BGH vom 17.1.2018 – XII ZB 248/16. Ausweislich dessen kann die Beschränkung der Verfahrenskostenhilfe bei Abschluss eines Mehrvergleichs nicht auf die Einigungsgebühr beschränkt werden. Der Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ist Ausfluss der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Bemittelten und Unbemittelten.

b) Mitvergleich anhängiger Ansprüche

 

Rz. 48

 

Abrechnungsbeispiel 1

Zwei Verfahren sind anhängig:

 
Streitwert im 1. Verfahren: 4.000,00 EUR
Streitwert im 2. Verfahren: 10.000,00 EUR

Im 1. Verfahren werden beide Rechtsstreitigkeiten durch Vergleich beendet. Im 2. Verfahren mit dem höheren Streitwert von 10.000 EUR wurde noch keine Verhandlung durchgeführt.

 

Abrechnung des 1. Verfahrens

Wert: 4.000,00 EUR

 
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG aus 4.000,00 EUR 361,40 EUR
0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG aus 10.000,00 EUR (491,20 EUR)
  Summe der Verfahrensgebühren: (852,60 EUR)
  Insgesamt darf nach § 15 III RVG die Summe der Verfahrensgebühren nicht höher sein als die 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert in Höhe von 14.000,00 EUR (933,40 EUR)
  keine Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG 852,60 EUR
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG aus dem Gesamtstreitwert von 14....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge