Rz. 28

Erklärungen im Widerspruchsverfahren sind wie Prozesserklärungen entsprechend den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen.[51] Danach gibt es kein Verbot, Willenserklärungen zugunsten eines Verfahrensbeteiligten erfolgsorientiert auszulegen.[52]

 

Rz. 29

Eine falsche Bezeichnung als "Einspruch", "Beschwerde", "Aufsichtsbeschwerde" schadet nicht. Entscheidend ist das vom Bürger Gewollte. Bei der Auslegung ist abzugrenzen von anderen nichtförmlichen Rechtsbehelfen.

 

Rz. 30

Bei der Gegenvorstellung richtet sich der Bürger an die Stelle, die über den beanstandeten Vorgang entschieden hat, und strebt die Aufhebung, Änderung oder den Erlass einer Maßnahme an. Die Ausgangsbehörde wird formlos um erneute Sachentscheidung gebeten.

 

Rz. 31

Bei einer Fachaufsichtsbeschwerde verfolgt der Beschwerdeführer die sachliche Überprüfung der angegriffenen Entscheidung. Er wendet sich an die (übergeordnete) Fachaufsichtsbehörde mit dem Ziel, eine Weisung an die zuständige Behörde zu erreichen.

 

Rz. 32

Bei der Dienstaufsichtsbeschwerde rügt der Bürger ausschließlich das persönliche Verhalten des Bediensteten, also die Art und Weise von dessen Tätigwerden, ohne die Sachentscheidung anzugreifen. Er verlangt eine dienstrechtliche Maßnahme des Dienstvorgesetzten. Der Beschwerdeführer muss sich an die Dienstaufsichtsbehörde wenden.

 

Rz. 33

Denkbar ist auch, dass sowohl Widerspruch als auch ein anderer nichtförmlicher Rechtsbehelf eingelegt werden. Dies wird man z.B. dann annehmen, wenn neben der Sachentscheidung gleichzeitig das persönliche Verhalten des Amtswalters gerügt werden soll (also auch Dienstaufsichtsbeschwerde).

 

Rz. 34

Wendet sich der Bürger gegen einen VA, so wird im Zweifel die Einlegung eines Widerspruchs anzunehmen sein, da dies der weitergehende und "stärkere" Rechtsbehelf ist, zumal durch ihn grundsätzlich die spätere Möglichkeit einer Klage eröffnet wird.

 

Rz. 35

Der Widerspruch bedarf keines förmlichen Antrages und insbesondere auch keiner Begründung. Ein VA, der dies in seiner Rechtsbehelfsbelehrung dennoch verlangt, ist fehlerhaft i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO.

 

Rz. 36

Die Nachprüfung im Widerspruchsverfahren erfolgt nur im Umfang der Anfechtung; eine Beschränkung des Rechtsbehelfs ist zulässig (Teilanfechtung).[53]

[51] BVerwG NVwZ-RR 2000, 135; BVerwG NJW 2002, 1137, 1139; VGH BW, Urt. v. 7.1.2013 – 2 S 2120/12, NVwZ-RR 2013, 398; zu nichtförmlichen Rechtsbehelfen in der öffentlichen Verwaltung vgl. von Mutius, Jura 1989, 105 ff.; zur Auslegung des Rechtsbehelfsbegehrens und zu außergerichtlichen Rechtsbehelfen vgl. Pietzner/Ronellenfitsch, § 27; zur Umdeutung eines Antrages in einen Widerspruch vgl. OVG NRW NVwZ 1990, 676.
[52] BVerwG NJW 2002, 1137, 1139, auch zur Auslegung von Anträgen von Rechtsanwälten.
[53] VG Bremen NVwZ-RR 1996, 550.

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