1. Verwertung von Voreintragungen

 

Rz. 6

Strafrechtliche Verurteilungen, die einer 10-jährigen Tilgungsfrist unterliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 StVG), dürfen nach einer Frist von fünf Jahren nur noch für Verfahren verwertet werden, die die Eignung oder Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. Maßnahmen nach dem Fahreignungsbewertungssystem (§ 4 Abs. 5 StVG) zum Gegenstand haben, nicht aber für die Strafzumessung (OLG München zfs 2008, 210; OLG Celle NZV 2009, 570).

 

Rz. 7

Soweit das Gericht auf Vorbelastungen abstellt, muss es diese im Urteil so genau mitteilen, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung ermöglicht wird, ob die Vorverurteilungen im Hinblick auf ihre Bedeutung und Schwere für den Strafausspruch richtig bewertet worden sind. Hierzu bedarf es i.d.R. einer zwar knappen, aber noch aussagekräftigen Feststellung der den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte (OLG Nürnberg zfs 2006, 288).

2. Bewährungsstrafen im Falle einer Wiederholungstat

 

Rz. 8

Gegen Wiederholungstäter wird üblicherweise eine kurzfristige und zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe verhängt (Tabellen siehe § 58 Rdn 21 ff.), obwohl nicht jeder Rückfall eine Freiheitsstrafe nötig macht (OLG Düsseldorf NZV 1997, 46). Eine unter sechs Monaten liegende Freiheitsstrafe ist ohnehin nur im Ausnahmefall zulässig (BayObLG DAR 1992, 184; OLG Düsseldorf NZV 1997, 46), zumal nach § 47 Abs. 1 StGB grundsätzlich der Vorrang der Geldstrafe gilt.

Deshalb ist auch im Falle einschlägiger Vorstrafen vor allem bei der Verhängung von unter sechs Monaten liegenden Freiheitsstrafen zu prüfen, ob eine Freiheitsstrafe tatsächlich unerlässlich ist (BGH StV 1994, 370; OLG Hamm VRS 97, 410). Diese Individualprüfung muss selbst bei mehrfachem Rückfall vorgenommen werden, vor allem dann, wenn längere Intervalle (hier drei Jahre) zwischen den Taten liegen (OLG Schleswig NJW 1982, 1116; BayObLG DAR 1992, 184).

 

Rz. 9

Sogar im Falle relativ schneller Rückfallgeschwindigkeit ist eine eingehende Würdigung der Täterpersönlichkeit erforderlich. Unerlässlich ist eine Freiheitsstrafe nämlich nur dann, wenn eine andere schuldangemessene Sanktion (wie z.B. eine hohe Geldstrafe) nicht ausreicht und wenn auf eine Freiheitsstrafe nicht verzichtet werden kann (OLG Düsseldorf NZV 1997, 46).

 

Rz. 10

 

Achtung: Rückfall in Bewährungszeit

Hat ein Angeklagter noch in der Bewährungszeit eine erneute Alkoholfahrt begangen, kann dies für den Tatrichter einen ausreichenden Grund für eine negative Sozialprognose i.S.d. § 55 Abs. 1 S. 1 StGB darstellen, so dass gar nicht mehr erörtert zu werden braucht, ob die Vollstreckung der ausgesprochenen Gesamtstrafe auch aus dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung geboten gewesen wäre (OLG München DAR 2008, 533).

 

Rz. 11

Auf die Individualprüfung kann allerdings selbst bei einem wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vielfach vorbestraften Täter, der die abzuurteilende Tat dazu noch während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat, nicht verzichtet werden (BGH bei Tolksdorf, DAR 1997, 173; OLG Düsseldorf NZV 2000, 214).

 

Rz. 12

 

Achtung: Aufbauseminar

Ein von einem einschlägig vorbestraften Angeklagten absolviertes Aufbauseminar kann ein Absehen von der Verhängung einer Freiheitsstrafe gebieten. Jedenfalls ist das Aufbauseminar nicht nur bei der Maßregel zu berücksichtigen (OLG Saarbrücken NStZ 1994, 192).

 

Rz. 13

Auch wenn das Gericht eine sechs Monate übersteigende Freiheitsstrafe verhängen will, muss das Urteil eine auf den Einzelfall bezogene, die Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit umfassende Begründung dafür enthalten, warum eine kurzfristige Freiheitsstrafe unerlässlich ist. Formelhafte Wendungen genügen hierzu nicht (OLG Köln NJW 2001, 3491), zumal gem. § 47 Abs. 1 StGB grundsätzlich der Vorrang der Geldstrafe gilt, selbst wenn die Gesamtstrafe deutlich über sechs Monaten liegt (BGHSt 24, 164).

3. Aussetzung zur Bewährung

 

Rz. 14

Kurze Freiheitsstrafen müssen i.d.R. zur Bewährung ausgesetzt werden (OLG Zweibrücken zfs 1993, 426), bei Freiheitsstrafen unter sechs Monaten ist dies bei günstiger Prognose zwingend (§ 56 Abs. 1 S. 3 StGB), es sei denn die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet ausnahmsweise die Vollstreckung (§ 56 Abs. 3 StGB).

 

Rz. 15

Der Hinweis auf eine hohe Zahl gleichartiger Delikte rechtfertigt es nicht, die Bewährung zu verweigern (BGH StV 1982, 366). Dies gilt vor allem für den allgemeinen Hinweis auf generalpräventive Erwägungen (BGH bei Tolksdorf, DAR 1995, 182).

Allerdings ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn dem Täter im Falle wiederholten Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unter Alkoholeinfluss Bewährung versagt wird (BVerfG DAR 2002, 556).

4. Widerruf

 

Rz. 16

Begeht der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit eine erneute Verkehrsstraftat, namentlich eine Trunkenheitsfahrt oder Fahren ohne Fahrerlaubnis, hat er mit dem Widerruf der Strafaussetzung zu rechnen.

 

Rz. 17

 

Tipp

Vor der rechtskräftigen Verurteilung der Wiederholungstat ist ein Widerruf der Strafaussetzung gem. § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zulässig (EGMR NJW 2004, 43; OLG Stuttgart NZV 2005, 276); zumindest solange der Verurteilte nicht die neue Straftat vor einem Richte...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge