Rz. 55

Die deutschen Arbeitsgerichte werden nur tätig, wenn die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben und im Rahmen der internationalen Zuständigkeit ein deutsches Arbeitsgericht zur Entscheidung berufen ist. Die deutsche Gerichtsbarkeit erfasst alle Personen, die sich im Geltungsbereich des ArbGG aufhalten, also auch die in Deutschland lebenden Ausländer und die sich hier betätigenden ausländischen juristischen Personen. Für Rechtsstreitigkeiten, die vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden, darf die deutsche Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen sein. Das trifft für die Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen sowie weitere vergleichbare Repräsentanten zu, die nach §§ 18, 19 und 20 GVG von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind.

 

Rz. 56

Darüber hinaus muss die internationale Zuständigkeit zu bejahen sein, die sich vorwiegend nach den Gerichtsstandsvorschriften der ZPO richtet (§§ 12 ff. ZPO; vgl. GMP/Prütting, ArbGG, Einleitung Rn 274). Ist danach ein deutsches Gericht örtlich zuständig, so ist es auch im Verhältnis zu ausländischen Gerichten zuständig und umgekehrt. Zwischenstaatliche Abkommen können die Gerichtsstandsvorschriften der ZPO ergänzen oder abändern.

Für Personen und Firmen, die ihren Wohnsitz bzw. Firmensitz in einem der Mitgliedsstaaten der EU haben, sind seit dem 1.3.2002 die Gerichtsstandsregelungen der VO Nr. 44/2001/EG des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) für die internationale Zuständigkeit auch der deutschen Gerichte für Arbeitssachen maßgeblich. Nach Art. 1 Abs. 1 EuGVVO ist sie auf zivilrechtliche Streitigkeiten, wozu auch die arbeitsgerichtlichen gehören, anwendbar. Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so sind insb. folgende Bestimmungen der EuGVVO von Interesse:

 

Art. 19 EuGVVO [Arbeitgebergerichtsstand]

Ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:

1. vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, oder
2.

in einem anderen Mitgliedstaat

a) vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, oder
b) wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand.
 

Art. 20 EuGVVO [Arbeitnehmergerichtsstand]

(1) Die Klage des Arbeitgebers kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.

(2) Die Vorschriften dieses Abschnitts lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäß den Bestimmungen dieses Abschnitts anhängig ist.

Die EuGVVO gilt in jedem Mitgliedsstaat der EU und geht dem nationalen Recht vor (BAG 23.1.2008, AP § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit Nr. 22).

 

Rz. 57

Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit genügt die bloße Rechtsbehauptung der Zuständigkeit, wenn darüber gestritten wird, ob es sich bei einem Beteiligten um den richtigen "Antragsgegner" handelt, dieser also passivlegitimiert ist. Es handelt sich um eine doppelrelevante Tatsache, die sowohl im Rahmen der Zulässigkeit als auch im Rahmen der Begründetheit zu prüfen wäre (ArbG Wiesbaden v. 13.6.2018 – 11 BVGa 5/18, NZA 2018, 444). Eine ausdrückliche Regelung der internationalen Zuständigkeit enthält § 15 AEntG (vormals § 8 AEntG a.F.). Nach S. 1 dieser Bestimmung kann ein Arbeitnehmer, der in den Geltungsbereich des AEntG entsandt ist oder war, eine auf den Zeitraum der Entsendung bezogene Klage auf Gewährung der Arbeitsbedingungen nach §§ 2, 8 und 14 AEntG auch vor einem deutschen Gericht für Arbeitssachen erheben. Diese Klagemöglichkeit besteht auch für eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien gem. § 5 Nr. 3 AEntG in Bezug auf die ihr zustehenden Beiträge. Das BAG (11.9.2002 – 5 AZB 3/02, NZA 2003, 62 = DB 2003, 780) hat darüber hinaus klargestellt, dass § 8 AEntG a.F. (nunmehr § 15 AEntG) nicht nur Fragen der internationalen Zuständigkeit regelt, sondern zugleich die sachliche Zuständigkeit, d.h. die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

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