Rz. 4

Die Auswirkungen der "Sitzblockadeentscheidung" auf das Verkehrsrecht waren lange Zeit nicht geklärt. Vielfach war auch die Befürchtung geäußert worden, sie werde einen Großteil von aggressivem Verhalten im Straßenverkehr der strafrechtlichen Ahndung entziehen,[1] umso eher als die neuere Rechtsprechung des BGH die Einordnung aggressiven Fehlverhaltens unter die Strafvorschrift des § 315c StGB nur noch unter einem eingeengten Begriff der konkreten Gefahr zulässt (BGH NZV 2000, 213) bzw. unter die Vorschrift des § 315b StGB nur noch, wenn dem Fahrer Schädigungsvorsatz nachzuweisen ist (BGH zfs 2003, 314).

Das hat dann gar wiederholt zu der Forderung nach gesetzgeberischer Maßnahmen zur Schaffung eines eigenen Straftatbestandes gegen aggressive Fahrweisen geführt, was jedoch (u.a. auch von dem 43. Deutschen Verkehrsgerichtstag Goslar 2005) nicht zuletzt im Hinblick auf die immer noch funktionierende Auffangfunktion des § 240 StGB (OLG Köln DAR 2004, 469) abgelehnt wurde.

 

Rz. 5

Gegen das BVerfG hatte der BGH sich nämlich schon früh mit seiner "Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ (BGH DAR 1995, 453; NJW 1995, 2862) von einem zu engen Gewaltbegriff abgesetzt. Mit diesen Entscheidungen hat er auch dann Gewalt bejaht, wenn wegen des vom Täter zum Anhalten gezwungenen ersten Fahrzeuges die nachfolgenden nicht mehr weiterfahren konnten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung hat sich danach zumindest an der Strafbarkeit der "klassischen" Nötigungstatbestände des Straßenverkehrs nichts geändert (OLG Karlsruhe StraFo 1998, 97)."

 

Rz. 6

Diese Rechtsprechung hat auch das BVerfG (zfs 2007, 352) gebilligt, in dem es betont, dass z.B. auch ein bedrängendes, dichtes Auffahren (selbst im innerstädtischen Verkehr) dann Gewalt sein kann, wenn ein solches Fahrverhalten beim Adressaten nicht nur als psychischer Zwang, sondern auch körperlich (z.B. als Angstreaktion) empfunden wird.

 

Rz. 7

 

Achtung: Kurzzeitige Behinderung ist nur Ordnungswidrigkeit

Der Straftatbestand soll allerdings nur nötigendes Verhalten von einigem und nicht auch lediglich kurzzeitiges oder dichteres Fehlverhalten erfassen (OLG Stuttgart VRS 80, 345; OLG Köln NZV 2000, 99). Ein Verkehrsverstoß kann deshalb immer nur dann zu einer strafbaren Nötigung werden, wenn sich die besondere Dauer und Intensität der Zwangseinwirkung und auch das Maß einer etwa hierdurch bewirkten Gefährdung feststellen lassen (OLG Stuttgart VRS 80, 345; OLG Karlsruhe StraFo 1998, 97; OLG Köln DAR 2007, 39). Kurzzeitige geringer gewichtige Behinderungen fallen deshalb schon aus dem Gewaltbegriff heraus (OLG Köln NZV 2000, 99).

 

Tipp: Subjektiver Tatbestand bei Behinderungen

Der subjektive Tatbestand setzt bei Behinderungen im Straßenverkehr voraus, dass die Einwirkung auf einen anderen nicht bloß Folge, sondern Zweck des verbotswidrigen Verhaltens war. Gegen den allein rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer, der seine Ziele auf Kosten anderer zwar eigensüchtig verfolgt, aber die für andere eintretenden Folgen dabei lediglich in Kauf nimmt, scheidet deshalb ein Schuldspruch wegen Nötigung regelmäßig aus (OLG Brandenburg NZV 2014, 102).

[1] Bertz, NZV 1995, 297.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge