Rz. 51

Im Verkehrsordnungswidrigkeitenbereich stellt sich sehr häufig die Frage, ob der Betroffene tateinheitlich i.S.d. § 19 OWiG oder aber tatmehrheitlich i.S.d. § 20 OWiG gehandelt hat.

Begeht z.B. ein Kraftfahrzeugführer in einem engen zeitlichen Zusammenhang mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen oder aber mehrere verschiedene Ordnungswidrigkeiten, wie z.B. das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes und eine zeitgleich begangene Geschwindigkeitsüberschreitung, so stellt sich die Frage, ob eine tateinheitliche oder eine tatmehrheitliche Begehung vorliegt.

Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG ist gegeben, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze oder ein Gesetz mehrmals verletzt.

Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG ist dann gegeben, wenn gleichartige Delikte begangen werden, die in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem einheitlichen Willen getragen werden. Darüber hinaus muss das gesamte Verhalten bei objektiven Interessen als ein einheitliches Geschehen erscheinen.[88]

 

Rz. 52

Liegen mehrere Verstöße vor, die tateinheitlich begangen worden sind, wird gem. § 19 Abs. 2 OWiG die Geldbuße nach dem Gesetz bestimmt, das die höchste Geldbuße androht; vgl. auch die entsprechende Regelung in § 4 Abs. 2 S. 4 StVG.

Tatmehrheit i.S.d. § 20 OWiG liegt dagegen dann vor, wenn mehrere Handlungen nicht als natürliche oder rechtliche Handlungseinheit zusammengefasst werden können, insbesondere wenn kein räumlich oder zeitlich enger Zusammenhang zwischen den Verkehrsverstößen gegeben ist.[89]

Ist Tatmehrheit gegeben, werden gem. § 20 OWiG die Geldbußen gesondert festgesetzt und es erfolgen im Fahreignungsregister gesonderte Eintragungen. Bei einer tateinheitlichen Begehung werden die Punkte im Fahreignungsregister dagegen nicht addiert.

Eine Tat im prozessualen Sinne gem. § 264 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG ist gegeben, "wenn die Einzelhandlungen nach ihrem Ergebnis so miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges empfunden werden würde".[90]

Eine Tat im prozessualen Sinne kann eine oder mehrere Taten umfassen, die entweder in Tateinheit oder in Tatmehrheit zueinander stehen.[91]

Bei der Beurteilung der Frage, ob bei mehreren Verkehrsordnungswidrigkeiten Tateinheit oder aber Tatmehrheit gegeben ist, unterscheiden die Gerichte in den Entscheidungsfindungen nicht immer zwischen den materiell- und dem verfahrensrechtlichen Tatbegriff.[92]

[88] Vgl. Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, S. 1487 ff., BGHSt 41, 368, 369.
[89] Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, S. 1487 f.; OLG Hamm DAR 2006, 697, OLG München NZV 2005, 544.
[91] Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, S. 1487 ff.
[92] Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, S. 1487 ff.

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