Rz. 121

Gem. § 111a Abs. 1 S. 2 StPO können bereits bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird.

 

Rz. 122

Gem. § 69a Abs. 2 StGB können auch bei der Entziehung der Fahrerlaubnis bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen bezüglich der Sperre ausgenommen werden. Es können z.B. alle Fahrzeuge einer Führerscheinklasse ausgenommen werden. Hierbei kommt es auf den Verwendungszweck des Fahrzeuges an. Nicht möglich ist jedoch die Ausnahme von der Sperre für bestimmte Fahrzeuge aufgrund ihrer Nutzung, z.B. als Taxi.

Um ein Fahrverbot gem. § 25 StVG zu verhängen, muss neben der objektiven Gefährlichkeit ein subjektiv besonders vorwerfbares Verhalten des Betroffenen festgestellt werden. Es muss also ein grobes Verschulden des Betroffenen gegeben sein.[190]

 

Rz. 123

Mögliche Anhaltspunkte für ein lediglich einfaches fahrlässiges Verhalten des Betroffenen und damit keiner subjektiv besonderen Verwerflichkeit des Betroffenen sind:

aus dem Identifizierungsfoto ersichtliche schwierige Verkehrssituationen;[191]
Messungen unmittelbar hinter dem Ortseingangsschild;[192]
einfach fahrlässiges Übersehen eines Verkehrsschildes bzw. eines Ortseingangsschildes, wenn sich eine Ortseinfahrt nicht aufdrängt;[193]
Anhängen an einen Vordermann bei Überfahren einer roten Ampel oder einem fahrlässigen Mitzieheffekt.[194]
 

Rz. 124

Sind dagegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Verhängung eines Regelfahrverbotes gegeben, können besondere Umstände dazu führen, dass dennoch von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen wird.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, wenn anderenfalls der Betroffene seinen Arbeitsplatz verlieren würde oder aber die Existenz des selbstständigen Betroffenen gefährdet wäre.[195]

Die bloße Behauptung des Betroffenen, ihm drohe ein Arbeitsplatzverlust, ist jedoch nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr eine entsprechende Bescheinigung des Arbeitgebers.[196]

Ist der Betroffene Selbstständiger, kann eine drohende Existenzgefährdung bei Verhängung eines Fahrverbotes ebenfalls dazu führen, dass unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von einem Fahrverbot abgesehen wird.[197]

Es gibt eine umfangreiche Rechtsprechung zu der Problematik, ob unter bestimmten Gesichtspunkten von einem Fahrverbot bei dem Betroffenen abgesehen werden kann. Nachfolgend erfolgt eine Übersicht dieser Rechtsprechung.

Der beauftragte Rechtsanwalt sollte insbesondere bei der Verwaltungsbehörde versuchen, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit die Verhängung eines Fahrverbotes bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße zu verhindern. Hilfreich kann hierbei auch das Argument sein, dass die erhöhte Geldbuße ja an die Verwaltungsbehörde und nicht an das Gericht gezahlt wird.

[190] Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 1, S. 436; BGH zfs 1997, 407.
[191] OLG Karlsruhe zfs 2006, 230.
[192] BayObLG zfs 1995, 433.
[193] OLG Dresden zfs 2006, 52; OLG Dresden DAR 2002, 522.
[194] OLG Dresden DAR 2002, 522; KG NZV 2002, 50.
[195] Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 1, S. 446.; BayObLG NZV 1991, 436.
[196] Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 1, S. 446.
[197] Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 1, S. 416 f.; OLG Stuttgart DAR 1997, 31.

a) Nach Tatbeständen

aa) Geschwindigkeitsüberschreitung

 

Rz. 125

BayObLG zfs 1998, 234 (kein Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitung, wenn Ortsschilder falsch aufgestellt sind)
OLG Hamm zfs 1997, 276 (Ausnahme von Regelfahrverbot bei Fahrt in 30er Zone nach längerer Unterbrechung)
OLG Düsseldorf zfs 1997, 76 (Ausnahme von Regelfahrverbot bei Fahrt zum Arzt)
OLG Hamm zfs 1996, 35 (Respektierung des Absehens vom Regelfahrverbot durch Rechtsbeschwerdegericht)
OLG Hamm DAR 1998, 322 (erstmaliges Befahren einer Straße mit einer beschränkten Geschwindigkeit auf 30 km/h innerorts)
OLG Düsseldorf DER VERKEHRSJURIST 2000, 7 (Absehen vom Fahrverbot, weil der Betroffene sich infolge Unaufmerksamkeit nicht bewusst gewesen ist, sich innerhalb einer geschlossenen Ortschaft zu befinden)
OLG Karlsruhe DAR 2002, 229 (Überschreitung der Geschwindigkeit aus Sorge um schwangere Ehefrau)
OLG Brandenburg zfs 1997, 434 (Verschulden gegen Regelfall entscheidend leichter, weil Ortsschild schwer erkennbar)
OLG Brandenburg v. 19.9.2019 – (2B) 53 Ss-Owi 534/19 (207/19) (Absehen vom Regelfahrverbot bei Irrtum über das Verlassen einer Ortschaft)

bb) Rotlichtverstoß

 

Rz. 126

OLG Karlsruhe DAR 1996, 33 (zum Fahrverbot bei qualifiziertem Rotlichtverstoß)
OLG Hamm NZV 1996, 77 (qualifizierter Rotlichtverstoß eines Taxifahrers, Erhöhung der Geldbuße statt Fahrverbot)
OLG Hamm NZV 1996, 117 (Ausnahme vom Regelfahrverbot bei Rotlichtverstoß)
OLG Karlsruhe NZV 1996, 206 (atypischer qualifizierter Rotlichtverstoß nach Stillstand vor Ampel und Verwechslung von Lichtzeichen)
OLG Hamm NZV 1996, 206 (A...

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