Rz. 104
Nach Ansicht des BVerfG sind Aufzeichnungen mit einer Übersichtskamera ohne Fahreridentifizierung kein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.[222] Die Verfassungsbeschwerde gegen die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen war vor dem BVerfG erfolglos.[223] Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte die Vorschrift des § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO i.V.m.§ 46 Abs. 1 OWiG als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen herangezogen haben.[224] ,[225] Die Norm erlaubt die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Dies gilt sowohl für die Anfertigung von Einzelaufnahmen als auch von Videoaufnahmen. Zwar stellen Bildaufnahmen mittels einer Identifizierungskamera einen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung dar.[226] Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, nämlich die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit der Schutz von Rechtsgütern mit erheblichem Gewicht, rechtfertigen jedoch eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, auch wenn es sich um verdeckte Datenerhebungen handelt, nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet werden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind.
Rz. 105
Anlassbezogene automatisierte Bildaufzeichnungen von Kennzeichen und Fahrern bei Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes als Maßnahmen der Verkehrsüberwachung stellen keine unverhältnismäßige Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten dar. Die Maßnahme zielt nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes besteht. Schließlich entfaltet die Maßnahme über die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit hinaus grundsätzlich keine belastenden Wirkungen für den Betroffenen. Denn es bestehen in § 101 StPO hinreichende grundrechtssichernde Verfahrensvorschriften über die Benachrichtigung sowie zur Kennzeichnung und Löschung von Daten. Vor diesem Hintergrund und angesichts des bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden verkehrsrechtlichen Maßnahme.[227]
Rz. 106
Soweit im vorliegenden Fall auch Übersichtsaufnahmen von einer Brücke aus angefertigt wurden, ist bereits ein Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung zu verneinen. Denn zum einen war nach den amtsgerichtlichen Feststellungen eine Identifizierung der Fahrer oder Kennzeichen anhand der dauerhaft angefertigten Übersichtsaufnahmen nicht möglich. Zum anderen sind die Übersichtsaufnahmen nach ihrer Zweckbestimmung nicht auf eine Individualisierung des Betroffenen ausgerichtet; diese soll vielmehr ausschließlich durch die verdachtsabhängige Anfertigung von Bildaufnahmen mittels der am Fahrbahnrand aufgestellten Identifizierungskamera erfolgen.[228]
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