Rz. 102

In einer zur Verkehrsüberwachung angefertigten Videoaufzeichnung liegt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dass die Erhebung derartiger Daten einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, entspricht der Rechtsprechung des BVerfG.[215]

Der Eingriff in das Grundrecht entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erhoben wurden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen des Einzelnen, der sich in die Öffentlichkeit begibt, Rechnung.[216] Es liegt auch kein Fall vor, in dem Daten ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, dann aber ohne weiteren Erkenntnisgewinn, anonym und spurenlos wieder gelöscht werden, so dass aus diesem Grund die Eingriffsqualität verneint werden könnte.[217] Die vom Beschwerdeführer angefertigten Videoaufnahmen sollen gerade in einem Bußgeldverfahren als Beweismittel genutzt werden.[218]

 

Rz. 103

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Einschränkung im überwiegenden Allgemeininteresse zugänglich. Diese bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist.[219] Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden.[220]

Eine Verwaltungsvorschrift kann für sich keinen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung rechtfertigen, da es insofern einer formell-gesetzlichen Grundlage bedarf. Der parlamentarische Gesetzgeber hat über einen derartigen Eingriff zu bestimmen und Voraussetzungen sowie Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar festzulegen. Ein ministerieller Erlass reicht als eine hinreichende Grundlage für eine konkret durchgeführte Verkehrsüberwachung und damit auch für die damit verbundenen Grundrechtseingriffe grundsätzlich nicht aus.[221]

[215] BVerfG, Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08, zfs 2009, 589 = NJW 2009, 3293; BVerfG, Beschl. v. 17.2.2009 – 1 BvR 2492/08; BVerfGE 120, 378, 397 ff.; BVerfGK 10, 330, 336 f.
[216] Vgl. BVerfGE 65, 1, 45; 120, 378, 398 f.; BVerfGK 10, 330, 336; BVerfG, Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08, zfs 2009, 589 = NJW 2009, 3293.
[217] Vgl. dazu BVerfGE 115, 320, 343; 120, 378, 399.
[218] BVerfG, Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08, zfs 2009, 589 = NJW 2009, 3293.
[219] Vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f.; 120, 378, 401 ff.; BVerfGK 10, 330, 337; BVerfG, Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08, zfs 2009, 589 = NJW 2009, 3293.
[220] Vgl. BVerfGE 65, 1, 44 ff.; 100, 313, 359 f.; BVerfGK 10, 330, 337 f.; BVerfG, Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08, zfs 2009, 589 = NJW 2009, 3293.
[221] BVerfG, Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08, zfs 2009, 589 = NJW 2009, 3293.

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