Rz. 397

Bei einen normalen Räumungsantrag können – wie bereits unter Rdn 500 dargestellt – schnell mehrere tausend Euros als Kostenvorschuss auf den Gläubiger zukommen, da dieser vorschusspflichtig ist und im ungünstigsten Fall, wenn beim Schuldner auch kein Geld zu holen ist, auch erst einmal als Kostenschuldner gegenüber den Gerichtsvollzieher tragen müsste.

 

Rz. 398

Um diese Kosten zu senken, ursprünglich bei den sogenannten "Mietnormaden", wurde das sogenannte "Berliner Modell" entwickelt, das vom BGH mit Beschl. vom 17.11.2005 (I ZB 45/05) bestätigt wurde. Dabei wird die Räumung lediglich auf die Herausgabe der Wohnung beschränkt.

Voraussetzungen:

 

Rz. 399

Grundvoraussetzung für diese Beschränkung ist, dass der Gläubiger sein Vermieterpfandrecht gegenüber dem Schuldner geltend macht.

Das Vermieterpfandrecht ergibt sich aus § 562 Abs. 1 S. 2 BGB und ist ein gesetzliches besitzloses Pfandrecht, das sich grds. auf alle Sachen in der Wohnung erstreckt.

 

Rz. 400

Die Forderung des Gläubigers muss sich jedoch aus dem Mietverhältnis selbst ergeben, hierzu gehören

Mietforderungen,
Nutzungsentschädigungen nach § 546a BGB (bei verspäteter Rückgabe),
Nebenkosten, wie Betriebskostennachzahlungen aber auch
Schadensersatz,
nicht jedoch die Mietkaution, da ansonsten der Mieter doppelt belastet werden würde (sog. Kumulationsverbot).
 

Rz. 401

Für die Entstehung des Vermieterpfandrechtes ist es weiterhin erforderlich, dass der Mieter während der Mietzeit, freiwillig bewegliche Sache für den regelmäßigen Gebrauch in die Mieträume gebracht hat. Hierunter fällt grundsätzlich die gesamte Wohnungseinrichtung. Eine Sache, die jedoch nur kurzfristig in der Wohnung untergestellt wird, wird vom Vermieterpfandrecht nicht erfasst.

 

Rz. 402

Das Vermieterpfandrecht umfasst alle beweglichen Sachen, die im Alleineigentum des Mieters stehen, wobei gem. § 1006 Abs. 1 BGB die Vermutung gilt, dass alle in der Wohnung des Mieters vorhandenen Gegenstände in dessen Eigentum stehen.

 

Rz. 403

Der Umfang des Vermieterpfandrechtes wird durch die Höhe der Forderungen bestimmt, die zum Zeitpunkt der ersten Geltendmachung des Pfandrechtes bestehen. Dabei sind Mietzinsforderungen nach § 562 Abs. 2 ZPO nur für das laufende und das folgende Mietjahr ab Geltendmachung (nicht Kalenderjahr) sicherbar.

 

Rz. 404

Zukünftige Entschädigungsforderungen können nach Entstehung ebenso wie ein weiterer Mietzinsbereich (die neuen zwei Jahre, laufendes und zukünftiges Mietjahr) durch eine spätere, wiederholte Geltendmachung des Pfandrechtes gesichert werden.

 

Rz. 405

Die Geltendmachung des Vermieterpfandrechtes unterliegt keiner Form, aus Gründen der Nachweisbarkeit bietet sich jedoch eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Mieter an.

 

Rz. 406

Wie bei der normalen Räumung unterfallen pfändungsfreie Sachen gem. §§ 811, 812 ZPO (s. Rdn 394) nicht dem Vermieterpfandrecht (z.B. persönliche Papiere, Sachen zur bescheidenen Haushaltsführung).

Verfahrensablauf:

 

Rz. 407

Bei der "Berliner Räumung" erfolgt nur die Besitzeinweisung der Wohnung an den Gläubiger.

Ist der Schuldner anwesend, so werden die Wohnungsschlüssel eingezogen und an den Gläubiger übergeben. Der Schuldner darf im Beisein des Gerichtsvollziehers seine persönlichen und unpfändbaren Sachen entfernen.

In einer Vielzahl von Fällen sind die Schuldner jedoch im Räumungstermin nicht anwesend. Hier erfolgt die Besitzeinweisung, in dem der Gerichtsvollzieher das Wohnungsschloss austauscht und die neuen Schlüssel dem Gläubiger übergibt. Alle Sachen des Schuldners verbleiben dabei in der Wohnung des Gläubigers.

 

Rz. 408

Die Arbeit des Gerichtsvollziehers ist damit beendet. Der Vermieter obliegt es dann, zunächst eine Aufteilung der beweglichen Sachen vorzunehmen, da diese unterschiedlich behandelt werden müssen:

 
Müll Müll und Unrat sind sofort zu entsorgen und bedürfen keiner Aufbewahrung.
unpfändbare Gegenstände

Der Vermieter (Gläubiger) muss diese unpfändbaren Sachen auf Verlangen an den Schuldner herausgeben. Anderenfalls macht er sich nach §§ 280 Abs. 1, 823 BGB schadensersatzpflichtig.

Der Vermieter muss jedoch nicht selbst aktiv werden, sondern kann das Herausgabebegehren des Schuldners abwarten.
pfändbare Gegenstände

Auf die pfändbaren Gegenstände erstreckt sich das Vermieterpfandrecht und dürfen im Wege des Pfandverkaufes verwertet werden.

Die Verwertung darf jedoch nicht selbst vom Gläubiger vorgenommen werden, sondern muss im Wege einer öffentlichen Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher erfolgen (s. Rdn 298 ff.)
 

Rz. 409

Bis zu einem Herausgabeverlangen des Schuldners sind die unpfändbaren Sachen zusammen mit den pfändbaren Sachen sicher vom Gläubiger zu verwahren, dies kann jedoch auch an einen anderen Ort (z.B. Lagerraum) erfolgen, so dass die Wohnung wieder zur Weitervermietung bereit steht.

 

Rz. 410

Meldet sich der Schuldner nicht mehr wegen der unpfändbaren Sachen beim Gläubiger, so stellt sich die Frage, wie er weiterverfahren darf, da keine ausdrückliche Regelung für diesen Fall im Gesetz vorhanden ist. Meines Era...

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