Rz. 7

Wie ein Urteil des BGH vom 30.4.2008[3] lehrt, besteht erheblicher Gestaltungsbedarf auch für den Fall, dass der Alleineigentümer der gemeinsam bewohnten Immobilie wegen gesundheitlichen Verfalls in ein Pflegeheim eingewiesen und unter Betreuung durch eine dritte Person gestellt wird.

 

Rz. 8

Dem vorgenannten BGH-Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Mann und eine Frau lebten seit spätestens 1987 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einer Immobilie, die im Alleineigentum der Frau stand. Er führte Renovierungsarbeiten an dem Haus durch. Die Frau erkrankte an Demenz und lebte seit Februar 2001 in einem Pflegeheim. Der Mann lebte seitdem allein in dem Haus seiner Lebensgefährtin. Er zahlte weder eine Miete noch beteiligte er sich an den laufenden Kosten der Wohnung. Für die Frau wurde eine Betreuerin mit den Aufgabenbereichen Vermögensangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Wohnungsangelegenheiten und Aufenthaltsbestimmung bestellt. Außerdem wurde ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB angeordnet, so dass die Frau wie eine beschränkt Geschäftsfähige zu behandeln war. Die Betreuerin verlangte von dem Mann die Räumung der Immobilie sowie eine Nutzungsentschädigung ab Herausgabeverlangen. Der Mann wandte ein, seine Partnerin habe ihm ein die Mitbenutzung der Wohnung auf seine Lebenszeit formlos gestattet.

 

Rz. 9

Der BGH gab der Klage sowohl im Hinblick auf das Räumungsbegehren als auch hinsichtlich der Nutzungsentschädigung statt.

 

Rz. 10

Was das Räumungsbegehren betrifft, erscheint es zweifelhaft, ob es sich hierbei nicht um eine höchstpersönliche Angelegenheit der unter Betreuung stehenden Frau handelte. Höchstpersönliche Angelegenheiten sind aus der Betreuung ausgenommen, d.h. der Betreuer kann sie nicht vornehmen. Der BGH verneint vorliegend die Höchstpersönlichkeit. Der BGH argumentiert ergebnisorientiert. Die Befugnis der dementen Frau, die nichteheliche Lebensgemeinschaft aufzulösen, könne nicht höchstpersönlich sein, weil anderenfalls der Mann das Haus seiner Partnerin dauerhaft kostenfrei bewohnen kann – es ist nicht zu erwarten, dass die demente Frau von ihm Kostenbeteiligung oder Miete verlangt. Ich halte diese Auffassung nicht für zweifelsfrei. Immerhin zwingt die Betreuerin den Mann, die Wohnung, in der er mit seiner Partnerin die nichteheliche Lebensgemeinschaft geführt hat, zu räumen. Damit werden vollendete Tatsachen geschaffen. Kehrt die Frau geheilt aus dem Pflegeheim in ihre Wohnung zurück, so wird die "Zusammenführung" mit ihrem Partner erschwert. M.E. ist hier der höchstpersönliche Bereich der dementen Partnerin berührt. Jedenfalls endet die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht dadurch, dass die Frau demenzbedingt geschäftsunfähig geworden sein mag,[4] weil die nichteheliche Lebensgemeinschaft ein tatsächlicher Vorgang ist.

 

Rz. 11

Den Räumungsanspruch leitet der BGH aus § 985 BGB her: die demente Frau war Eigentümerin, ihr Partner jedenfalls Mitbesitzer. Problematischer war die nach § 986 BGB weitere Voraussetzung, dass der Lebensgefährte kein Recht zum Besitz hatte. Ein solches ergibt sich zwar, wie der BGH feststellt, nicht schon daraus, dass die Beteiligten ihre nichteheliche Lebensgemeinschaft in der streitgegenständlichen Immobilie führten. Dieses rein tatsächliche Verhältnis kann – anders als eine Ehe (§ 1353 BGB)[5] – kein Besitzrecht vermitteln. Im Raum stand jedoch die formlose Leihe der Wohnung auf Lebenszeit. Der XII. BGH zweifelt daran, ob eine derartige mündliche Abrede formwirksam ist, lässt aber offen, ob die notarielle Beurkundungsform des § 518 Abs. 1 BGB gilt.[6] Hätte der XII. Senat vorliegend die notarielle Form verlangt, wäre er von der Rechtsprechung des V.[7] und des IV.[8]  Senats abgewichen und hätte die Rechtsfrage dem Großen Senat vorlegen müssen. Auf diese Rechtsfrage komme es aber, so der Senat, vorliegend nicht an, weil nicht ersichtlich ist, dass die Lebensgefährten einen Leihvertrag geschlossen haben.[9] Auch für ein schuldrechtliches Wohnrecht, das dem Partner aufschiebend befristet auf den Tod oder die Einlieferung der Frau ins Pflegeheim zugewendet ist, sieht der BGH keine Anhaltspunkte.[10]

 

Rz. 12

Was die Zahlung eines Nutzungsentgelts anbelangt, bejaht der BGH zu Recht, dass dieser Anspruch nicht nur vom dementen Partner selbst, sondern auch von ihrem Betreuer ausgeübt werden kann. Anspruchsgrundlage ist § 987 i.V.m. § 990 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach hat der zur Herausgabe an den Eigentümer verpflichtete Besitzer dem Eigentümer die Nutzungen herauszugeben, die er zieht, nachdem er erfahren hat, dass er kein Recht zum Besitz hat.

 

Rz. 13

Wie kann dafür Vorsorge getroffen werden, dass dergleichen (Räumungsklage der Wohnung durch Betreuer eines Partners) nicht geschieht? Vorsorgemaßnahmen sind die Erteilung gegenseitiger General- und Vorsorgevollmacht[11] sowie die Einräumung eines Mitwohnrechts, welches im Grundbuch als beschränkt persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) eingetragen wird. Die isolierte General- und Vorsorgevollmacht ohne (Mit-) Wohnrec...

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