1. Möglichkeit der Auseinandersetzung

 

Rz. 62

Mehrere Vorerben bilden eine Erbengemeinschaft. Diese kann sich jederzeit nach § 2042 BGB auseinandersetzen (siehe hierzu auch § 8 Rdn 13 ff.).[102]

 

Rz. 63

Der Mitwirkung von Dritten, wie Nacherben, weiteren Nacherben oder Ersatznacherben, bedarf es zur schuldrechtlichen Vereinbarung des Auseinandersetzungsvertrages nicht.[103] Der Vorerbe ist nicht daran gehindert, die Auseinandersetzung mittels Erbteilsübertragung zu betreiben. Verfügungen über den gesamten Erbteil unterliegen keinen nacherbrechtlichen Beschränkungen.[104]

 

Rz. 64

Beim Vollzug der vorgesehenen Einzelverfügungen kann jedoch die Mitwirkung von Nacherben und Nachnacherben erforderlich sein.[105] Die Mitwirkungserfordernisse der Nacherben ergeben sich aus den Verfügungsbeschränkungen des Vorerben nach §§ 2113 bis 2115 BGB. Die Verfügungsbeschränkungen gelten auch für den Vollzug der Auseinandersetzung zwischen mehreren Mitvorerben getroffenen Verfügungen.[106] Dies schließt auch die Abschichtung ein.[107] Der Mitwirkung von Ersatznacherben bedarf es für einen wirksamen Vollzug hingegen nicht. Ersatznacherben stehen vor Eintritt des Ersatznacherbfalls die Kontroll-, Sicherungs- und Mitwirkungsrechte nicht zu.[108] Eine Zustimmung zu Rechtsgeschäften des Vorerben ist daher nicht erforderlich.[109]

 

Rz. 65

Ist der Vorerbe in seiner Verfügungsfreiheit beschränkt, muss er für eine den Nacherbfall überdauernde, wirksame Verfügung die Zustimmung sämtlicher Nacherben einholen. Da ein Recht des Nacherben, die Auseinandersetzung zu verhindern, nicht besteht, wird eine mit der Verfügungsbeschränkung korrespondierende Zustimmungspflicht angenommen.[110] Nacherben sind verpflichtet die Auseinandersetzung zu fördern, sofern der Auseinandersetzungsplan der Mitvorerben der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung entspricht.[111] Der Nacherbe ist dadurch nicht schutzlos. Gewahrt werden seine Rechte bei der Auseinandersetzung der Vorerbengemeinschaft durch die nach § 2111 BGB eintretende Surrogation.

[102] Burandt/Rojahn/Lang, § 2112 Rn 7; BeckOGK/Müller-Christmann, BGB, § 2112 Rn 12, Stand 15.5.2018; NK-BGB/Gierl, BGB, Erbrecht, § 2112 Rn 7; Kössinger in: Nieder/Kössinger, 2. Teil, § 10 Rn 77.
[103] Damrau/Tanck/Bothe, § 2112 Rn 2.
[104] BeckOK BGB/Litzenburger, BGB § 2113 Rn 4, Stand 1.5.2018.
[105] BeckOGK/Müller-Christmann, BGB, § 2112 Rn 10, Stand 15.5.2018; Erman/Schmidt, § 2112 Rn 2; NK-BGB/Gierl, § 2112 Rn 7; Staudinger/Avenarius, § 2112 Rn 15; Damrau/Tanck/Bothe, § 2112 Rn 3.
[106] Damrau/Tanck/Bothe, § 2112 Rn 3; Erman/Schmidt, § 2112 Rn 2; NK-BGB/Gierl, BGB, Erbrecht, § 2112 Rn 7; Keim, RNotZ 2003, 375 (379).
[107] Bredemeyer/Tews, ZEV 2012, 356.
[108] BeckOGK/Müller-Christmann, BGB § 2102 Rn 41 m.w.N., Stand 15.5.2018.
[109] Kössinger in: Nieder/Kössinger, 2. Teil, § 8 Rn 76.
[110] BeckOGK/Müller-Christmann, BGB, § 2112 Rn 10, Stand 15.5.2018; Soergel/Harder-Wegmann, § 2112 Rn 6; Damrau/Tanck/Bothe, § 2112 Rn 3; Staudinger/Avenarius, § 2112 Rn 12.
[111] MüKo/Grunsky, § 2100 Rn 22.

2. Wirkung der Auseinandersetzung

 

Rz. 66

Die Erbauseinandersetzung zwischen den Vorerben stellt einen Erwerb mit Mitteln der Erbschaft dar,[112] sofern die Mitvorerben bei der Auseinandersetzung unter Mitwirkung der Nacherben nicht etwas anderes vereinbart haben.[113]

 

Rz. 67

Bei der Beantwortung der Frage, was unter den gesetzlichen Tatbestand des "Erwerbs mit Mitteln der Erbschaft"[114] gem. § 2111 BGB fällt, ist ein wirtschaftlicher Maßstab anzulegen. Zu den "Mitteln der Erbschaft" zählen auch die Rechte, die der Vorerbe aufgrund seiner Beteiligung an der zwischen ihm und seinen Miterben bestehenden Gemeinschaft zur gesamten Hand mit Bezug auf die einzelnen Gegenstände des Nachlasses hat. Erhält der Mitvorerbe durch den Vollzug des Auseinandersetzungsvertrages daher Gegenstände aus der Erbschaft, fallen diese in den Nachlass. Aufgrund der Surrogation unterliegt der erworbene Gegenstand weiterhin der Nacherbenbindung.[115]

 

Rz. 68

Vorerben sind daher zwar bereits vor Eintritt des Nacherbfalls zur jederzeitigen Auseinandersetzung befugt. Die Nacherbfolge bleibt von den Verfügungen ohne anderweitige Vereinbarung der Vorerben mit den Nacherben unberührt.

[112] NK-BGB/Gierl, BGB, Erbrecht, § 2111 Rn 25; Keim, RNotZ 2003, 375, 379.
[113] BayObLG, Beschl. v. 6.10.2004 – 2Z BR 087/04, juris; darunter ist auch die Freigabe des Nacherben zu fassen.
[114] Vgl. dazu ausführlich Damrau/Tanck/Bothe, § 2111 Rn 7 ff.; zum Begriff der Mittelsurrogation vergleiche auch § 4 Rdn 165 ff.
[115] BeckOGK/Müller-Christmann, BGB, § 2112 Rn 11, Stand 15.5.2018; NK-BGB/Gierl, BGB, Erbrecht, § 2111 Rn 25.

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