Rz. 42

Zur Aufhebung eines Erbverzichts nach § 2351 BGB ist als actus contrarius ein Vertrag zwischen den Parteien erforderlich, die den Verzichtsvertrag geschlossen haben.[112] Daher kann der Aufhebungsvertrag nur zu Lebzeiten des Erblassers und des Verzichtenden geschlossen werden.[113]

 

Rz. 43

Der Erb- und/oder Pflichtteilsverzichtsaufhebungsvertrag nach § 2351 BGB ist als Verfügung von Todes wegen zu qualifizieren und deshalb bei bestehender Bindung aufgrund Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. So erlangt also z.B. der verzichtende Pflichtteilsberechtigte sein Pflichtteilsrecht nicht wieder und hat folglich keine Pflichtteilsansprüche.[114]

 

Rz. 44

Ein minderjähriger Erblasser bedarf zur Verzichtsaufhebung nur der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, nicht aber einer familiengerichtlichen Genehmigung.[115] Als Verzichtender benötigt der Minderjährige aber weder eine Zustimmung noch eine Genehmigung, da hier ein lediglich rechtlicher Vorteil gegeben ist.[116]

 

Rz. 45

Ein Rücktritts- oder Widerrufsvorbehalt ist unzulässig.[117] Ein solcher ist nur für das Grundgeschäft hinsichtlich der Abfindung zulässig. Tritt der Verzichtende vom Abfindungsvertrag wirksam zurück, soll ihm ein Anspruch auf Aufhebung des Verzichtsvertrages nach den Grundsätzen der §§ 346 ff. BGB zustehen.[118] Darüber hinaus kann in Einzelfällen eine Anpassung des Abfindungsvertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB erreicht werden. Nach Eintritt des Erbfalls hat der BGH in einer älteren Entscheidung eine Anpassung des Erbverzichtsvertrages unter Hinweis auf den Vorrang der Rechtssicherheit abgelehnt.[119] In der Kautelarpraxis hat sich unterdessen eine Kombination von auflösend bedingtem Erbverzicht und Rücktrittsrecht vom Kausalgeschäft bewährt. Dabei tritt die auflösende Bedingung mit Ausübung des vorbehaltenen oder kraft Gesetzes bestehenden Rücktrittsrechts ein, wobei praktikablerweise auf den Zugang der Rücktrittserklärung beim Erblasser zusätzlich abgestellt werden sollte.

 

Rz. 46

Der Verzichtende erlangt durch die Aufhebung des Erbverzichts die Rechtsstellung, die er ohne den Verzicht hatte. Dies gilt selbst dann, wenn der Erblasser inzwischen die Erbfolge durch Erbvertrag festgelegt hätte.[120] Die Zustimmung des durch den Erbverzicht Begünstigten ist entbehrlich.[121]

 

Rz. 47

Der BGH urteilte in seiner Entscheidung vom 24.6.1998,[122] dass ein Erbverzicht nach dem Tod des Verzichtenden nicht mehr aufgehoben werden kann. Danach kann aufgrund §§ 2351, 2347 Abs. 2 S. 1 BGB ein Erbverzicht nur von den Vertragsschließenden selbst zu deren Lebzeiten aufgehoben werden.[123] Das Gericht begründete dies insbesondere mit der Auswirkung des Verzichts nach § 2349 BGB auf die Abkömmlinge. Kommt es zu Lebzeiten nicht zu einer Aufhebung, muss aus Gründen der Rechtsklarheit mit dem Tod des Verzichtenden feststehen, dass er und sein Stamm endgültig aus der gesetzlichen Erbfolge des Erblassers ausgeschieden sind. Als Folge können die sich durch den Verzicht ergebenden Pflichtteilsquoten (vgl. § 2310 S. 2 BGB) nach dem Tod des Verzichtenden nicht mehr geändert werden.

In der Literatur[124] wird dagegen teilweise die Meinung vertreten, dass der Erbverzicht an sich zwar nach dem Tod des Verzichtenden nicht mehr aufgehoben werde könne, wohl aber die mit dem Erbverzicht begründete Drittwirkung. Eine Aufhebung könne sowohl durch Vertrag zwischen Erblasser und Erben als auch zwischen Erblasser und Abkömmlingen erfolgen. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da grundsätzlich zwischen Aufhebbarkeit des Erbverzichts und der Beseitigung seiner Drittwirkung unterschieden werden kann.[125] Den Erben des Verzichtenden steht ihrerseits das ererbte Recht zur isolierten Aufhebung der Drittwirkung des Erbverzichts zu, welches dem Verzichtenden zu Lebzeiten bereits zugestanden hat. Allerdings kann kaum zum Abschluss derartiger Verträge angesichts der derzeitigen Rechtsprechung empfohlen werden.

 

Rz. 48

Problematisch ist auch die Möglichkeit einer Umdeutung des wegen der unmöglichen postmortalen Genehmigung nicht wirksamen Erbverzichts nach § 140 BGB in einen Erlassvertrag nach § 397 BGB, der nicht formbedürftig ist. Die Rechtsprechung lehnt dies ab.[126] Die Literatur befürwortet hingegen diese Möglichkeit mit der zutreffenden Begründung, dass der Verzichtende gerade durch seine Genehmigung deutlich gemacht habe, dass er nichts vom Nachlass erhalten will.[127] Zulässig ist hingegen ein Erlassvertrag i.S.v. § 397 BGB, durch welchen ein Pflichtteilsberechtigter (Kind) gegenüber einem (aufgrund Berliner Testaments) Alleinerben (überlebende Mutter) auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche im Verhältnis zum Erblasser (verstorbener Vater) verzichtet.[128]

[113] MüKo/Wegerhoff, § 2351 BGB Rn 3. Dagegen wird ein Zuwendungsverzicht zwischen dem verbliebenen Erblasser und dem am Vertragsschluss selbst beteiligten Bedachten...

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