Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 13 O 136/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.03.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 13 O 136/19 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 358.584,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2018 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 143.823,51 EUR vom 22.12.2018 bis zum 28.08.2019 zu zahlen abzüglich am 03.08.2020 gezahlter 24.987,66 EUR.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ihre Schwester, einen Pflichtteilsanspruch geltend. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil vom 03.02.2020 zur Zahlung von 143.823,51 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Durch das angefochtene Urteil hat es der Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 358.584,95 EUR nebst Zinsen sowie weitere Zinsen auf den anerkannten Teilbetrag zuerkannt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 BGB in Höhe von insgesamt 502.408,46 EUR. Dies entspreche einem Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte der Erbmasse. Da die Beklagte am 29.01.1985 durch gerichtlich protokollierten Vergleich auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet habe, sei sie bei der Feststellung des Erbteils für die Berechnung des Pflichtteils nicht mitzuzählen. Der Erbverzicht sei nicht wirksam aufgehoben worden. Eine wirksame Aufhebung des Verzichts sei nicht durch die notarielle Beurkundung des Testaments am 22.03.2010 erfolgt. Die Aufhebung des Erbverzichtsvertrags bedürfe der notariellen Beurkundung. Das notarielle Testament der Erblasserin vom 22.03.2010 enthalte keinen Hinweis auf eine Aufhebung des Erbverzichts. Dass die Erblasserin und die Beklagte einen - auch stillschweigend möglichen - Vertrag über die Aufhebung des Erbverzichts geschlossen hätten, der in die Beurkundung des notariellen Testaments vom 22.03.2010 Eingang gefunden habe, habe die Beklagte nicht darlegen können. Dem Beweisangebot der Beklagten auf Vernehmung des Notars Dr. A sei nicht nachzugehen gewesen, da es sich um einen Ausforschungsbeweis handele. Auch das notariell beurkundete einseitige "Einverständnis zur Aufhebung eines Erbverzichts" vom 12.07.2019 könne eine Aufhebung des Erbverzichts nicht bewirken. Ein Aufhebungsvertrag nach dem Tod des Erblassers sei nicht mehr möglich. Bei der Berechnung der Höhe des Nachlasswertes sei eine latente Steuerlast nicht zu berücksichtigen. Maßgebend sei allein der Verkehrswert der Immobilie. Es sei auch nicht dargetan oder ersichtlich, dass der Wert der Immobilie allein durch deren Verkauf realisiert werden könne. Auch der Hilfsantrag der Beklagten sei jedenfalls unbegründet. Die Vorschriften der §§ 232 ff. BGB setzen die Verpflichtung zu einer - hier nicht geschuldeten - Sicherheitsleistung voraus. Es sei auch kein Abzug für laufende Grabpflegekosten in Höhe eines kapitalisierten Betrages von 7.500 EUR vorzunehmen. Kosten für die laufende Grabpflege nach erstmaliger Herrichtung der Grabstätte seien keine Beerdigungskosten i.S.d. § 1968 BGB. Bei der Berechnung des Nachlasswertes und damit bei der Pflichtteilsberechnung finde auch der Wert von Schmuckstücken der Erblasserin in Höhe von 20.000,00 EUR keine Berücksichtigung. Die Beklagte habe mit dem erst im Verhandlungstermin überreichtem Schriftsatz vom 31.01.2020 nicht ansatzweise dargelegt, wie sich der von ihr behauptete Wert der Schmuckstücke zusammensetze. Sie sei insoweit zudem beweisfällig geblieben. Allein die Inbezugnahme von nicht näher kommentierten Lichtbildern sei weder zur Darlegung noch zum Beleg des Wertes geeignet. Zurückbehaltungsrechte stünden der Beklagten bereits deshalb nicht zu, weil die Klägerin die Forderungen, hinsichtlich derer sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufe, bereits nicht substantiiert dargelegt habe und im Übrigen auch beweisfällig geblieben sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese geltend macht: Nach dem Willen der Erblasserin und der Beklagten sei der Erb- und Pflichtteilsverzicht aus dem Jahr 1985 durch das notarielle Testament vom 22.3.2010 aufgehoben worden. Das Landgericht habe den auf Vernehmung des Streithelfers der Klägerin gerichteten Beweisantritt zu Unrecht als Ausforschungsbeweis qualifiziert und diesen rechtsfehlerhaft übergangen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die ...

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