Rz. 13

Die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Funktionsfähigkeit bzw. der Arbeitsfähigkeit muss dauerhaft sein. Das ist der Fall, wenn feststeht, dass die Beeinträchtigung lebenslang andauern wird, oder dies nach dem objektiven Erfahrungs- und Wissensstand im Zeitpunkt der abschließend maßgebenden ärztlichen Beurteilung zu erwarten ist.[10] Es sind nur solche Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, die innerhalb eines Jahres eingetreten sind (vgl. Rn 28).

 

Rz. 14

Im Interesse einer abschließenden Regulierung des Versicherungsfalls stellen die AUB auf einen Stichtag ab, der an die Regelung zur Neufeststellung anknüpft. Maßgeblich ist der Zeitpunkt von drei Jahren nach dem Unfall, Ziff. 9.4. AUB 08/99, § 11 IV AUB 94/88 und § 13 (3) a AUB 61. Dies entspricht auch der Regelung des § 180 S. 2 VVG n.F. Die gesetzliche Vorschrift ist nicht zwingend. In der Praxis hat sich die Sichtweise entwickelt, dass eine Beeinträchtigung dauerhaft ist, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre anhält und eine Veränderung des Zustandes nicht zu erwarten ist.[11] Die Prognose hat anhand der Befunde der letzten nach den AUB zulässigen und somit maßgeblichen ärztlichen Untersuchung zu erfolgen.[12] Erkennbare Veränderungen nach Ablauf der drei Jahre sind zu berücksichtigen.[13]

 

Rz. 15

 

Beispiel

Eine 20-jährige VP erleidet eine schwere Knieverletzung. Es ist nach zwei Jahren erkennbar, dass sich bereits eine starke Arthrose gebildet hat und ein künstliches Gelenk medizinisch notwendig ist. Da bei einer 20-jährigen Person die Lebenserwartung doppelt bis dreimal so hoch ist, wie die zu erwartende Haltbarkeit eines künstlichen Gelenks, also ein Prothesenwechsel sogar prognostiziert werden kann, wird ein solcher Eingriff möglichst lange hinausgezögert, hier über das dritte Unfalljahr hinaus. Bei der Beurteilung der Invalidität sind die sich später zwangsläufig ergebenden Beeinträchtigungen durch ein künstliches Gelenk und die vorhersehbaren Prothesenwechsel bereits zu berücksichtigen.

Die bloße Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit einer dauerhaften Schädigung genügt für den Nachweis einer dauerhaften Beeinträchtigung nicht.[14]

 

Rz. 16

Strittig ist, ob bereits eine ärztliche Prognose in dem Sinne genügt, dass die Beeinträchtigung wenigstens drei Jahre andauern wird.[15] Da einer nur vorübergehenden Beeinträchtigung das Merkmal der Dauerhaftigkeit fehlt, reicht die Prognose einer nicht lebenslangen Beeinträchtigung nicht aus. In Anlehnung an § 180 S. 2 VVG n.F. ist zu fordern, dass eine Änderung der unfallbedingten Beeinträchtigung nicht zu erwarten ist. Diese Streitfrage stellt sich bei einer Begutachtung zum Ende der 3-Jahres-Frist in der Regel nicht, da zu diesem Zeitpunkt eine recht sichere Prognose zur Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung getroffen werden kann. Es steht dem VR aber frei – im Sinne einer zügigen Regulierung auf Grundlage einer ärztlichen Prognose, dass mindestens eine Beeinträchtigung von drei Jahren besteht – eine Invaliditätsleistung zu erbringen und eine kostspielige Neufeststellung so zu umgehen.

 

Rz. 17

Nicht vorhersehbare Veränderungen nach Ablauf der drei Jahre bleiben außer Betracht, gleichgültig ob der Gesundheitszustand sich gebessert oder verschlechtert hat.[16] Damit sind sowohl Nachforderungen des VN, als auch Rückforderungen des VR ausgeschlossen.[17]

 

Rz. 18

Strittig ist auch die Frage des Vergleichsmaßstabs für die Ermittlung der dauernden Beeinträchtigung. § 180 VVG n.F. lässt diese Fragestellung offen. Die h.M. stellt auf einen Vergleich der Leistungsfähigkeit der VP mit der Leistungsfähigkeit eines gesunden "Durchschnittsmenschen" gleichen Alters und Geschlechts ab, wobei sachgerechte Vergleichsgruppen zu bilden sind.[18] Die Gegenmeinung legt dagegen einen subjektiven Maßstab an.[19]

 

Rz. 19

Der subjektive Maßstab[20] ist Grundlage der Regulierung der ganz überwiegenden Anzahl von Unfallschäden. Bricht sich eine VP z.B. das rechte Handgelenk, dann ist es gängige Regulierungspraxis, die im Seitenvergleich zu ihrem linken Handgelenk bestehende (subjektive) Einschränkung als Beeinträchtigung ausreichen zu lassen. Ein Vergleich mit einem Durchschnittsmenschen findet nicht statt. Durch die Möglichkeit des Seitenvergleichs (insbesondere bei den Extremitäten) ist die subjektive Beeinträchtigung in diesen Fällen aber auch objektiv-medizinisch belegbar.

 

Rz. 20

Der objektive Maßstab stellt auf einen Vergleich des "Istzustandes" der VP mit dem "Sollzustand" eines "normalen" Menschen gleichen Alters und Geschlechts ohne unfallbedingte Gesundheitsschädigung ab. Individuelle Fähigkeiten der VP werden damit aus der Beurteilung insgesamt herausgenommen, wodurch rein subjektiv empfundene oder nur behauptete Beeinträchtigungen und mögliche unrealistische Selbsteinschätzungen ausgeschlossen werden sollen. Allerdings werden hierdurch auch besonders begabte und befähigte Mensch unter Umständen benachteiligt. Zwar wird vereinzelt zu Recht eine sachgemäße Vergleichsgruppe gefordert,[21] diese würde aber z.B. bei ein...

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