Rz. 165

In Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG wird allein auf die Kriterien Umfang und Schwierigkeit abgestellt, um eine höhere Gebühr als 1,3 abrechnen zu können. Es gibt unterschiedliche Vorgehensweisen, die Geschäftsgebühr zu bemessen.

Eine Möglichkeit:

Die Gebühr wird unter Berücksichtigung sämtlicher Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG bis 2,5 bemessen. Sodann erfolgt eine Prüfung, ob die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Falls nein: Kappung auf 1,3; falls ja: Gebühr wird wie bemessen berechnet.[110]

Weitere Möglichkeit:

Alle Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG werden bei der Bemessung nur bis 1,3 berücksichtigt; für mehr als 1,3 zählen nur noch Umfang und Schwierigkeit.

Der ersten Möglichkeit ist der Vorzug zu geben, da im Gesetz nicht geregelt ist, dass die übrigen Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG bei einer Gebühr über 1,3 nicht mehr gelten sollen, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

 

Rz. 166

Umfang bedeutet insbesondere: Zeitlicher Aufwand, den ein Rechtsanwalt zur Bearbeitung des Mandats erbringen muss.

In den zeitlichen Umfang nicht mit einzubeziehen sind:

Zeiten für die Aneignung von Basiswissen;
Zeitaufwand, der für das Gericht oder den Gegner entstanden ist;
Anschein, den der Umfang der Sache hat.
 

Rz. 167

Einzurechnen sind:[111]

tatsächlicher Umfang der Sache (nicht aber der Anschein);
mandatsspezifische Rechercheleistungen;
Studium der Unterlagen (Verträge, geführter Schriftwechsel, Gutachten, etc.);
Zeit für die Auswertung eines Gutachtens;
persönliche oder telefonische Besprechungen mit dem Mandanten;
Besprechungen mit Dritten (Gegenanwalt, Gegner, Sachverständigen, Zeugen wegen Anfangsvermögen, etc.);
Studium und Auswertung einer beigezogenen Akte (z.B. Straf- oder Ermittlungsakte bei angezeigter häuslicher Gewalt – soweit hierfür nicht gesonderte Gebühren nach Teil 4 abgerechnet werden, etc.);
Recherche von mandatsbezogener Literatur und Rechtsprechung;
Studium und Auswertung mandatsbezogener Literatur und Rechtsprechung;
Diktat von Schriftstücken;
Korrigieren und Ausfertigen von Schriftstücken;
Studium der eingehenden Korrespondenz;
Weiterleitung und Kommentierung der eingehenden Korrespondenz;
Wahrnehmung von Terminen (einschl. Fahrt- und Wartezeiten; dies können auch Hausbesuche des Anwalts in einer Familiensache sein).
 

Rz. 168

Typische Tätigkeiten, die im Rahmen eines Familienrechtsmandats erbracht werden, sind z.B.[112]

Aufnahme der gesamten Informationen zu/zum

Datum u. Ort der Eheschließung
den persönlichen Daten der Ehegatten
der jeweiligen Arbeitgeber
der Ehewohnung
dem letzten gemeinsamen Wohnsitz
vorhandenen minderjährigen Kindern
vorhandenen volljährigen in Ausbildung befindlichen gemeinsamen Kindern
vorhandenen Kindern eines Ehegatten mit einem früheren Ehegatten/Partner
Aufenthaltsort der Kinder (besondere Bedürfnisse zur Regelung der elterlichen Sorge, des Umgangsrechts, der Kindesherausgabe, anstehende Entscheidungen zu Schulbesuch, Kindertagesstätte etc.)
gebildeten Anwartschaften bei Rentenversicherungsträgern
vorhandenen Betriebsrentenansprüchen
privatem Vorsorgeansprüchen
End- und Anfangsvermögen zur Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruch
Einkommen aus selbstständiger oder nicht selbstständiger Tätigkeit
Einkommen aus Kapitalvermögen
Einkommen aus Vermietung und Verpachtung oder anderen Einkunftsarten
Vermögensverhältnisse (Grundvermögen, Kapitalvermögen, Betriebsvermögen, etc.)
getroffenen Regelungen vor Inanspruchnahme des Anwalts
beabsichtigten Regelungen hinsichtlich der möglichen Folgesachen
Haushaltsgegenstände (ggf. Regelung hierüber)
vorhandenem weiteren Vermögen
vorhandenen Verbindlichkeiten
Beratung über mögliche Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe
Berechnung des Ehegatten- und Kindesunterhaltsanspruchs, ggf. unter Berücksichtigung vorhandener weiterer Kinder
Beratung und Vertretung wegen bestehender möglicher Unterhaltsansprüche
außergerichtliche Schreiben an den getrenntlebenden Ehegatten/gegnerischen Verfahrensbevollmächtigten wg. Trennung, Unterhalt, beabsichtigter Scheidung, und weiterer Folgesachen
persönliche oder telefonische Besprechungen mit der Gegenseite, dem Gegenanwalt
persönliche oder telefonische Besprechungen mit dem Mandanten
Beratung und Vertretung über das Versorgungsausgleichs-; Unterhalts- und Güterrecht sowie die sich hieraus für den Mandanten ergebenden Vor- und Nachteile
Auskunftserteilung gegenüber der Gegenseite
Abwehr unberechtigter Ansprüche
Beratung und Vertretung zum Gesamtschuldnerausgleich
Beratung und Vertretung hinsichtlich Zuwendungen Dritter (Eltern/Schwiegereltern etc.)
Erstellung eines Entwurfs einer Scheidungsfolgenvereinbarung/eines Ehevertrags
Besprechungen und Korrespondenz mit Dritten (Vermieter, Bank)
Studium und Auswertung einer beigezogenen Akte (z.B. Straf- oder Ermittlungsakte bei angezeigter häuslicher Gewalt – soweit hierfür nicht gesonderte Gebühren nach Teil 4 abgerechnet werden, etc.)
...

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