a) Allgemeines

 

Rz. 376

Seit Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 wird die "Prozesskostenhilfe" in Familiensachen als "Verfahrenskostenhilfe" bezeichnet und im FamFG in den §§ 76 bis 78 geregelt. § 76 Abs. 1 S. 1 FamFG verweist im Übrigen für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe, womit die §§ 114 bis 127a ZPO entsprechend anzuwenden sind. Zu den am 1.1.2014 in Kraft tretenden Änderungen hinsichtlich der Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe wird auf die Ausführungen in § 8 Rdn 1 ff. verwiesen. Für Ehe- und Familienstreitsachen sind die Vorschriften der §§ 76 bis 78 FamFG jedoch nicht anzuwenden (§ 113 Abs. 1 S. 1 FamFG). Streng genommen müsste daher für Ehe- und Familienstreitsachen nach wie vor Prozesskostenhilfe und nicht Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden. Allerdings sorgt Absatz 5 des § 113 FamFG für die Anpassung der zivilprozessualen Bezeichnungen (z.B. Prozess, Klage, Kläger, Beklagter, Partei) an die Bezeichnungen des FamFG und vereinheitlicht damit die Begrifflichkeiten des FamFG für alle Familiensachen.[282]

 

Rz. 377

Bei der Abrechnung von Gebühren im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe, insbesondere beim Ansatz der Einigungsgebühr, ist zu unterscheiden,

ob VKH (mit entsprechender Beiordnung) bereits vor Abschluss der Einigung bewilligt worden ist,
ob eine Erstreckung der Beiordnung in einer Ehesache nach § 48 Abs. 3 RVG vorliegt (vgl. § 8 Rdn 57 u. Rdn 385 in diesem Kapitel) oder
ob sich die Sache noch im Stadium des VKH-Prüfungsverfahrens befindet (vgl. Rdn 404 in diesem Kapitel).
 

Rz. 378

Wird eine Einigung im VKH (Prüfungs)-Verfahren getroffen, so gilt das VKH-Verfahren als gerichtliches Verfahren mit der Folge, dass bei einer Einigung im Sinne der Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG nur eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG entsteht, vgl. Abs. 1 S. 1 der Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG.

 

Rz. 379

Etwas anderes kann gelten, wenn sich die Beiordnung bei einer Einigung auf die in § 48 Abs. 3 genannten Gegenstände erstreckt, oder aber, wenn VKH nur für den Abschluss eines Vergleichs bewilligt wird, vgl. Abs. 1 S. 1 der Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG sowie § 48 Abs. 1 RVG.

 

Rz. 380

Erstreckt sich die Beiordnung des Rechtsanwalts in einer Ehesache auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG (§ 48 Abs. 3 RVG) oder wird lediglich VKH für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt (gemeint ist hier trotz anderslautendem Wortlaut in der Anmerkung zu Nr. 1003 VV wohl auch die Einigung und nicht ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB), entsteht die Einigungsgebühr in Höhe von 1,5.

Voraussetzung für den Anfall einer 1,5 Gebühr, ist, dass die Ansprüche weder im Hauptsacheverfahren noch im VKH-Verfahren anhängig sind!

[282] Keidel, FamFG, § 113 Rn 17.

b) Historie

 

Rz. 381

Zum besseren Verständnis, welche Gebühren von der Staatskasse zu erstatten sind, ist ein wenig auszuholen. Für das VKH-Prüfungsverfahren wird grundsätzlich keine VKH gewährt.[283] Eine Ausnahme stellt der Vergleich bzw. die Einigung im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren dar.[284]

 

Rz. 382

Der BGH beschloss am 8.6.2004 noch zur BRAGO, dass im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im Erörterungstermin gem. § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO Prozesskostenhilfe nur für den Vergleich, nicht aber für das gesamte PKH-Verfahren (jetzt VKH) bewilligt werden kann,[285] mit der Folge, dass nicht einmal die Prozessgebühr, erst recht nicht eine Erörterungs- oder Verhandlungsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten seien. In seinen Beschlussgründen wies der BGH unter anderem darauf hin, dass nach der gefestigten Rechtsprechung einem Antragsteller zur Abwehr eines Begehrens, das mangels Antragszustellung noch nicht rechtshängig geworden ist, im Allgemeinen keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.[286] Der BGH war der Auffassung, dass diese Erwägungen grundsätzlich auch für den Fall gelten, dass eine Partei PKH (jetzt VKH) für einen beabsichtigten Antrag begehrt, da die Voraussetzungen des § 114 ZPO solange nicht vorliegen, wie der angekündigte Antrag nicht erhoben ist.

 

Rz. 383

Der BGH verneinte in seinem Beschluss eine Übernahme sowohl der Prozess- als auch der Erörterungsgebühr nach BRAGO mit der Folge, dass diese Entscheidung teilweise von Gerichten auch auf das RVG analog angewendet wurde, und eine Verfahrens- und Terminsgebühr in derartigen Fällen nicht von der Staatskasse erstattet wurden. Wichtig ist zu wissen, dass diese BGH-Rechtsprechung aber nicht den Fall des § 48 Abs. 3 RVG betraf (Erstreckung der Beiordnung in der Ehesache auf eine Scheidungsvereinbarung mit entsprechenden Regelungsgegenständen), sondern den Vergleichsabschluss im VKH-Prüfungsverfahren. Vielfach wurde diese BGH-Entscheidung falsch zitiert bzw. auch auf § 48 Abs. 3 RVG angewendet, obwohl diese beiden Fälle voneinander zu unterscheiden sind.

 

Rz. 384

In der Praxis war es daher äußerst strittig, welche Kosten bei Anwendung des § 48 Abs. 3 RVG zu übernehmen sind. Bei der Erstattung der Vergütung aus der Staatskasse hat die Rech...

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