Rz. 123
Um das Schadenersatzvolumen zu ermitteln, ist die Entwicklung des Umsatzes und Rohgewinnes vor dem Haftpflichtgeschehen (Unfall) mit der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Unfall zu vergleichen. Auch Fremdkapitalkosten sind, da sie den Rohgewinn mindern, zu berücksichtigen.[100] Problematisch ist in der Schadenpraxis, die Unfallfolgen zu den unfallfremden Einflüssen abzugrenzen. Auch wenn keine zu hohen Anforderungen an die Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebes gestellt werden dürfen, setzt die Bestimmung des entgangenen Gewinns (§ 252 S. 2 BGB) jedoch voraus, dass anhand des Betriebsergebnisses eine Gewinnminderung im konkreten Einzelfall festzustellen ist. Das bedeutet, dass für die Ermittlung des entgangenen Gewinns nicht nur die Entwicklung des Umsatzes und des Rohgewinnes von Bedeutung ist, sondern auch der Verlauf der fixen Kosten (d.h. der fortlaufenden sowie der variablen, also bei Umsatzausfall nicht anfallenden Kosten) Berücksichtigung finden muss.[101] Dazu sind vom Geschädigten die Gewinnentwicklung und die tatsächlichen Betriebsergebnisse in den letzten Jahren vor und nach dem Unfall darzulegen.
Rz. 124
I.d.R. kann der Gewinnausfall (Verdienstausfall) des Selbstständigen nur mit Hilfe und Unterstützung eines Sachverständigen für Gewinnausfallschäden (Betriebswirt, Wirtschaftsprüfer, nur eingeschränkt Steuerberater[102]) einigermaßen zuverlässig geschätzt werden,[103] auch wenn die Ergebnisse manchmal eher einer Weissagung/Prophezeiung ähneln denn einer begründbaren Prognose. Die Ergebnisse des Finanzfachmannes sind zudem häufig auch unter schadenersatzrechtlichen Aspekten noch juristisch zu überprüfen.[104] Auch ein Richter muss das sachverständigerseits dargelegte Ergebnis einer eigenen Prüfung unterziehen.[105]
Rz. 125
Um eine zügige Regulierung zu erreichen, müssen dem Sachverständigen möglichst rasch alle zur Bewertung des Ausfallschaden erforderlichen Geschäftsunterlagen zur Verfügung gestellt werden: Bilanzen der vergangenen Jahre, Gewinn- und Verlustrechnungen, Einkommensteuererklärungen und -bescheide der Vorjahre, Mehrwertsteuervoranmeldungen und -bescheide. Die Prognose wird besser, je mehr Unterlagen (auch für längere Zeiträume) zur Verfügung stehen. Bilanzen werden allerdings häufig erst zu späten – nach dem Unfall liegenden – Zeitpunkten erstellt, so dass oft im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall noch keine ausreichenden Unterlagen vorhanden sind, um eine ausreichend sichere Abschätzung vorzunehmen.
Rz. 126
Häufig ist der Verletzte wegen seiner Verletzungen nicht in der Lage, die zur Schadenfeststellung notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es ist daher dringend notwendig, einen kompetenten Ansprechpartner auf Seiten des Verletzten zu benennen. Der Geschädigte sollte sich bei der Regulierung wegen der Kompliziertheit der Materie anwaltlichen Beistands bedienen.
Rz. 127
Leider entspricht es der Erfahrung, dass gerade bei Selbstständigen die Familienmitglieder keine oder nur vage, wenn nicht gar völlig falsche, Vorstellungen über den Geschäftsumfang, die Einkommensentwicklung und den Aufbewahrungsort wichtiger Geschäftspapiere haben. Häufig ist der Chef zugleich die "Seele des Geschäfts", mit der also der Bestand des Unternehmens auf Gedeih und Verderb verbunden ist. Nicht selten hat sich der Chef angewöhnt, niemandem – insbesondere nicht dem Ehegatten – Einblick in die Bücher und Geschäftsvorgänge zu gewähren. Ist der Chef einmal nicht mehr in der Lage, selbst die Entscheidungen zu treffen, geht mit einem mal der gesamte Betrieb "den Bach herunter".
Rz. 128
Probleme bereitet auch die Angewohnheit mancher Selbstständiger, bei der Buchhaltung des Guten zuviel oder aber zuwenig zu tun: Doppelte Buchführung verstehen Etliche dahin, dass das "erste Buch" für die Steuer zu führen ist und das "zweite Buch" dann zur eigenen Information die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegelt; manch anderer führt erst gar keine Bücher (und ist dazu u.U. auch gar nicht verpflichtet).
Rz. 129
Entgangene Einkünfte aus Schwarzarbeit (siehe auch § 3 Rn 273) sind dem Unternehmer nicht zu erstatten.[106]
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