Rz. 75

Bei Kraftfahrzeugunfällen Geschädigte haben aus den verschiedensten Gründen oft keine Möglichkeit, sich im Wege des Direktanspruchs nach § 115 VVG (Rdn 22 ff.) an einen Haftpflichtversicherer zu wenden. Oft entfällt auch die Möglichkeit, wegen des erlittenen Personen- und Sachschadens anderweitig Ersatz zu erlangen. Um diese Unbilligkeiten zu beseitigen und im Interesse des Opferschutzes wurde für Schäden ab 1.1.1966 der Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen im Leben gerufen, der auf die Verordnung über den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen vom 14.12.1965[64] zurückgeht und seine normative Grundlage in § 12 PflVG gefunden hat (vgl. Rdn 12).

 

Rz. 76

Folgende in § 12 Abs. 1 S. 1 PflVG normierten Fallgruppen lösen die Leistungspflicht aus dem Fonds aus:

Das Fahrzeug, durch dessen Gebrauch der Schaden verursacht worden ist, kann nicht ermittelt werden (Nr. 1);
eine Haftpflichtversicherung besteht zugunsten des Halters, Eigentümers und des Fahrers des Fahrzeugs nicht (Nr. 2);
der Halter des Fahrzeugs ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 oder nach einer in Umsetzung von Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 72/166/EWG erlassenen Bestimmung eines anderen EU-Mitgliedstaats von der Versicherungspflicht befreit (Nr. 2a);
der Schaden wurde vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt und Haftpflichtversicherungsschutz besteht deshalb nicht (Nr. 3);
die Versicherungsaufsichtsbehörde stellt;
den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistungspflichtigen Versicherers oder die zuständige Aufsichtsbehörde ergreift bei einem Versicherer, der seinen Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, eine vergleichbare Maßnahme (Nr. 4).
 

Rz. 77

Nach S. 2 ist der Anspruch nachrangig, d.h. der Ersatzberechtigte darf in den Fällen nach Nr. 1–3 weder vom Haftpflichtigen noch einem anderen Schadensversicherer Schadensersatz erlangen können; Glaubhaftmachung genügt, ist aber auch erforderlich.

 

Rz. 78

Der Anspruch gegen den Entschädigungsfonds entfällt, soweit der Ersatzberechtigte in der Lage ist, Ersatz seines Schadens nach den Vorschriften über die Amtspflichtverletzung zu erlangen, oder soweit der Schaden durch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers, durch Fortzahlung von Dienst- oder Amtsbezügen, Vergütung oder Lohn oder durch Gewährung von Versorgungsbezügen ausgeglichen wird. Insoweit genügt nicht die bloße Anspruchsposition, sondern die tatsächliche Durchsetzbarkeit der Forderung.

 

Rz. 79

Bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung geht abweichend von § 839 Abs. 1 S. 2 BGB die Ersatzpflicht aufgrund der Vorschriften über die Amtspflichtverletzung der Leistungspflicht des Entschädigungsfonds vor.

 

Rz. 80

Auf den Wegfall der Leistungspflicht bei Ansprüchen wegen der Beschädigung von Einrichtungen des Bahn-, Luft- und Straßenverkehrs sowie des Verkehrs auf Binnenwasserstraßen einschließlich der mit diesen Einrichtungen verbundenen Sachen, sowie wegen der Beschädigung von Einrichtungen der Energieversorgung oder der Telekommunikation sei hingewiesen.

 

Rz. 81

Kann das Kraftfahrzeug, durch dessen Gebrauch der Schaden verursacht worden ist, nicht ermittelt werden (Nr. 1), werden Ansprüche auf Ersatz des immateriellen Schadens nach § 253 Abs. 2 BGB nur berücksichtigt, wenn dies wegen der Schwere der Verletzungen und zur Vermeidung grober Unbilligkeit erforderlich ist. Weiterhin ist der Ersatz des Sachschadens entweder ganz ausgeschlossen oder nur in beschränktem Umfang möglich (§ 12 Abs. 2 PflVG).

 

Rz. 82

Gemäß § 12 Abs. 3 PflVG verjährt der Ersatzanspruch gegen den Entschädigungsfonds in drei Jahren (vgl. § 12 Abs. 3 PflVG). Es gilt also die regelmäßige Verjährungsfrist (s. § 195 BGB).

 

Rz. 83

Abs. 4 stellt klar, dass abgesehen von der Ausnahme nach Abs. 2, die Leistungspflicht des Fonds der aus einem "kranken Versicherungsverhältnis" entspricht.

 

Rz. 84

Abs. 5 räumt dem Fonds einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) gegen alle Personen ein, für die er ersatzpflichtig geworden ist.

 

Rz. 85

Abs. 6 ordnet einen Forderungsübergang insoweit an, als die Ersatzansprüche der Ersatzberechtigten auf den Fonds übergehen, soweit er den Berechtigten Ersatz geleistet hat. Im Übrigen ist der Übergang wie der des § 86 VVG ausgestaltet.

 

Rz. 86

Nach § 13 PflVG in Verbindung mit § 1 der Verordnung über den Entschädigungsfonds vom 14.12.1965[65] ist für den Fonds der rechtsfähige Verein "Verkehrsopferhilfe e.V." zuständig. Seine Anschrift lautet:

Verkehrsopferhilfe e.V.

Wilhelmstr. 43/43 G

10117 Berlin

Telefon: (030) 20 20 5858

Telefax: (030) 20 20 5722

E-mail: voh@verkehrsopferhilfe.de

Internet: http://www.verkehrsopferhilfe.de/

 

Rz. 87

Die Verkehrsopferhilfe hat gem. § 10 der genannten Verordnung auch für Schäden einzutreten, die unter der Voraussetzung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 PflVG einem Deutschen außerhalb des Geltungsbereichs des Pflichtversicherungsgesetzes entstehen.

 

Rz. 88

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genan...

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