Rz. 15

Versicherungspflichtig sind grundsätzlich alle Halter von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit regelmäßigem Standort im Inland, wenn die Fahrzeuge auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet werden (vgl. im Einzelnen § 1 PflVG).

 

Rz. 16

Versicherungsfrei sind die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern, siehe § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 PflVG), Gemeindeverbände und Zweckverbände, denen ausschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts angehören (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 PflVG), und juristische ­Personen, die von einem nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 VAG von der Versicherungsaufsicht freigestellten Haftpflichtschadensausgleich Deckung erhalten (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 PflVG). Diese versicherungsfreien Kraftfahrzeughalter sind aber verpflichtet, bei Schäden der in § 1 PflVG bezeichneten Art wie Krafthaftpflichtversicherer einzutreten (§ 2 Abs. 2 PflVG).

 

Rz. 17

Haben die von der Versicherungspflicht befreiten Körperschaften bzw. juristischen Personen für einen berechtigten Fahrer eine Haftpflichtversicherung nicht abgeschlossen, sind sie auch für diesen in gleicher Weise und im gleichen Umfang wie ein Versicherer bei Bestehen einer ausreichenden Pflichtversicherungssumme eintrittspflichtig. Der von der Versicherungspflicht befreite Halter steht dem Fahrer und allen Personen, die nicht durch eine im Umfang des PflVG geschlossene Haftpflichtversicherung Deckung erhalten haben, als "Quasiversicherer" (Eigenversicherer) und als "Quasiversicherungsnehmer" gegenüber.[11] Die Verpflichtung erstreckt sich auf den Betrag der festgesetzten Mindestversicherungssumme (Anlage zu § 4 Abs. 2 PflVG).

 

Rz. 18

Versicherungsfrei sind schließlich die Halter von Kraftfahrzeugen, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit sechs Kilometer je Stunde nicht übersteigt, von selbstfahrenden Arbeitsmaschinen und Staplern, deren Höchstgeschwindigkeit 20 km/h nicht übersteigt, wenn sie den Vorschriften über das Zulassungsverfahren nicht unterliegen, und von Anhängern, die den Vorschriften über das Zulassungsverfahren nicht unterliegen. Diese in § 2 Abs. 1 Nr. 6 PflVG enthaltene Aufzählung ist abschließend, ohne dass eine weitere Befreiungsmöglichkeit bestünde.

 

Rz. 19

Im Zusammenhang mit der Versicherungsfreiheit ist fraglich, ob der Dienstherr des einen Unfall verschuldenden Beamten, der gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 PflVG wie ein Versicherer ("Quasiversicherer") den Unfallschaden zu decken hat,[12] den Beamten nach den Bestimmungen des Beamtenrechts auf Regress in Anspruch nehmen kann. Regressansprüche des von der Versicherungspflicht befreiten Halters bestehen nur in den Grenzen des § 2 Abs. 2 S. 6 PflVG und damit nur insoweit, als auch ein im Innenverhältnis haftungsfreier Haftpflichtversicherer gegen einen mitversicherten Fahrer Ansprüche hätte. Abweichend von § 75 Abs. 2 BBG (§ 78 Abs. 2 BBG a.F.) ist ein Rückgriff, auch bei grob fahrlässiger Verursachung, damit nur möglich, soweit die Leistungen des Dienstherrn die Mindestversicherungssumme übersteigen.[13]

 

Rz. 20

Der von der Versicherungspflicht befreite Eigenversicherer muss sich vergleichbar wie ein Haftpflichtversicherer behandeln lassen. Der berechtigte Fahrer hat eine dem Versicherten vergleichbare Stellung. Der geschädigte Dritte kann daher nach § 115 VVG direkt gegen den Halter vorgehen.[14] Ob es sich um eine Fahrt in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt hat oder nicht, ist unerheblich.[15]

 

Rz. 21

Die Rechtsstellung des nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 PflVG freigestellten Halters ist die gleiche wie die des Haftpflichtversicherers. Auf den Anspruch gegen ihn sind die §§ 100124 VVG, §§ 3, 3b PflVG sowie die KfzPflVO sinngemäß anzuwenden.[16] Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach der jeweiligen Anspruchsgrundlage (z.B. § 823 BGB i.V.m. § 12 StVG) und nicht nach der Mindestversicherungssumme.

[11] Vgl. zu den Einzelheiten Knappmann, in: Prölss/Martin, § 3 PflVG Rn 3 ff. m.w.N.
[12] BGH VersR 1984, 441, 442.
[13] BGH, Urt. v. 26.9.1985 – III ZR 61/84, BGHZ 96, 50, VersR 1986, 180; BGH, Urt. v. 28.10.1993 – III ZR 67/92, BGHZ 124, 15, VersR 1994, 488, MDR 1994, 1093, NJW 1994, 660; st. Rspr.
[14] BGH NJW 1987, 237; OLG Düsseldorf zfs 1981, 149; a.A. OLG Frankfurt zfs 1986, 242; OLG Karlsruhe VersR 1980, 937; jeweils zu § 3 Nr. 1 PflVG a.F.
[15] BGH VersR 1986, 183.
[16] Hierzu und zur Frage, ob daneben auch die AKB anzuwenden ist, vgl. Knappmann, in: Prölss/Martin, § 3 PflVG Rn 5; zur Frage der Verjährung BGH VersR 1965, 142; VersR 1984, 441.

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