1. Zugänglichkeit eines "Normaltarifs" und Einsatz der Kreditkarte

 

Rz. 1

BGH, Urt. v. 19.4.2005 – VI ZR 37/04, zfs 2005, 435 = VersR 2005, 850

Zitat

BGB § 249

a) Ein "Unfallersatztarif" ist nur insoweit ein "erforderlicher" Aufwand zur Schadensbeseitigung gemäß § 249 S. 2 BGB a.F. als die Besonderheiten dieses Tarifs einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung erforderlich sind (Bestätigung des Senatsurt. v. 12.10.2004 – VI ZR 151/03, VersR 2005, 239 = BGHZ 160, 377).
b) Einen ungerechtfertigt überhöhten "Unfallersatztarif" kann der Geschädigte nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie den gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.
c) Zur Frage, wann der Geschädigte zur Nachfrage nach einem günstigeren Tarif und zum Einsatz seiner Kreditkarte oder zu einer sonstigen Form einer Vorfinanzierung verpflichtet ist.

a) Der Fall

 

Rz. 2

Die Klägerin, eine Autovermieterin, machte gegen den beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht der Unfallgeschädigten den Ersatz restlicher Mietwagenkosten aus (ursprünglich) drei Verkehrsunfällen geltend, die sich in den Jahren 2001 bzw. 2002 ereignet hatten. Die Haftung des Beklagten war dem Grunde nach außer Streit. Die Unfallgeschädigten mieteten jeweils nach den Verkehrsunfällen bei der Klägerin Mietwagen zu sogenannten Unfallersatztarifen an und traten ihre Schadensersatzforderungen an die Klägerin ab. Die Klägerin war im Besitz der erforderlichen Erlaubnis im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes (vgl. Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 RBerG).

 

Rz. 3

Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben mit der Begründung, die Geschädigten hätten grundsätzlich ein Fahrzeug zum sogenannten Unfallersatztarif anmieten dürfen und dieser sei in den vorliegenden Fällen im Vergleich mit anderen Unfallersatztarifen nicht unangemessen hoch. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil in einem Schadensfall abgeändert und diesbezüglich die Klage auf Zahlung des – über dem vorgerichtlich von der Beklagten geleisteten – Betrags abgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision begehrte die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 4

Das angefochtene Urteil hielt nicht in allen Punkten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

Die Begründung, mit der das Berufungsgericht in dem allein noch den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Fall eine Ersatzfähigkeit des geltend gemachten Unfallersatztarifs abgelehnt und die Mietwagenkosten auf den von ihm geschätzten Normaltarif beschränkt hat, war nicht frei von Rechtsfehlern.

 

Rz. 5

Das Berufungsgericht war zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin von der Beklagten aus abgetretenem Recht nach § 249 S. 2 BGB a.F. (vgl. Art. 2 Nr. 1 des 2. Schadensersatzrechtsänderungsgesetzes vom 19.7.2002, BGBl I 2674) als Herstellungsaufwand nur den Ersatz der erforderlichen Mietwagenkosten verlangen konnte, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf, und dass der Geschädigte dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Hierzu hatte der erkennende Senat im Urteil vom 7.5.1996 (VI ZR 138/95) ausgeführt, dass der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstoße, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem "Unfallersatztarif" anmiete, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, solange dies dem Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar sei (vgl. BGHZ 132, 373, 378 f.).

 

Rz. 6

Dieser Grundsatz kann jedoch, wie der Senat in den Urteilen v. 12.10.2004 (VI ZR 151/03, VersR 2005, 239) entschieden hat, keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen in den Fällen, in denen sich ein besonderer Tarif für Ersatzmietwagen nach Unfällen entwickelt hat, der nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, sondern insbesondere durch gleichförmiges Verhalten der Anbieter. Insoweit kann aus schadensrechtlicher Sicht der zur Herstellung "erforderliche" Geldbetrag nicht ohne weiteres mit einem solchen "Unfallersatztarif" gleichgesetzt werden. Vielmehr sind die nach einem sogenannten Unfallersatztarif geschuldeten Kosten grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als sie tatsächlich zur Herstellung des Zustandes erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde.

 

Rz. 7

Hiervon ging auch das Berufungsgericht aus. Indessen standen die Ausführungen, mit denen es für den noch im Streit befindlichen Schadensfall die Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifs verneint hatte, nicht durchweg in Eink...

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