Rz. 87

Das Verfahren der Arbeitnehmermitbestimmung richtet sich grundsätzlich nach den nationalen Regeln der aufnehmenden Gesellschaft (Sitzstaatprinzip), vorliegend also nach dem österreichischen Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), vgl. Art. 133 GesRL (vormals Art. 16 Abs. 1 VerschmelzungsRL). Die allgemeinen Regeln finden jedoch keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen von Art. 133 Abs. 2 GesRL erfüllt sind. Vielmehr gelten dann die Sondervorschriften der §§ 258 ff. ArbVG, welche der österreichische Gesetzgeber in Ausübung seiner Regelungsbefugnis in Art. 133 Abs. 2 GesRL erlassen hat. Die Vorschriften des deutschen MgVG finden nach § 3 Abs. 1 Satz 1 MgVG hingegen bei Herausverschmelzungen keine Anwendung, da der deutsche Gesetzgeber keine Regelungskompetenz für Mitbestimmungsfragen in Gesellschaften mit Sitz im Ausland hat.[260] Durch die Vorgaben von Art. 133 Abs. 2 ff. GesRL wird aber ein hinreichender Schutzstandard gewährleistet.

 

Rz. 88

Eine Anwendung der §§ 258 ff. ArbVG kommt nur für die übernehmende österreichische Gesellschaft in Betracht, und zwar nur dann, wenn die österreichische GmbH den §§ 33 ff. ArbVG unterfällt und zusätzlich

eine der beteiligten Gesellschaften in den letzten sechs Monaten vor Veröffentlichung des Verschmelzungsplanes mindestens 500 Arbeitnehmer beschäftigte und in dieser Gesellschaft ein System der Mitbestimmung i.S.d. § 212 Abs. 4 ArbVG besteht (§ 258 Abs. 1 Nr. 1 ArbVG) oder
die österreichische Gesellschaft im Hinblick auf den Anteil der Arbeitnehmervertreter (§ 258 Abs. 2 ArbVG) nicht mindestens den gleichen Umfang an Mitbestimmungsrechten hat wie die übertragende deutsche Gesellschaft (§ 258 Abs. 1 Nr. 2 ArbVG) oder
das österreichische Recht für Arbeitnehmer der österreichischen Gesellschaft in Betrieben, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, nicht den gleichen Anspruch auf Mitbestimmung vorsieht wie für Arbeitnehmer in Österreich (§ 258 Abs. 1 Nr. 3 ArbVG).
 

Rz. 89

Finden §§ 258 ff. ArbVG nach den vorgenannten Voraussetzungen Anwendung, wird das konkrete System der Mitbestimmung vornehmlich im Wege von Verhandlungen der Arbeitnehmer mit den beteiligten Gesellschaften festgelegt. Auf eine schriftliche Aufforderung der Geschäftsführung der beteiligten Gesellschaften an ihre Arbeitnehmer(-vertretungen) hin ist ein sog. Besonderes Verhandlungsgremium (BVG) zu bilden. Jeder Mitgliedstaat, in dem Arbeitnehmer der zu verschmelzenden Gesellschaften beschäftigt sind, erhält mindestens einen Sitz (§ 216 Abs. 2–4, § 260 Abs. 1 ArbVG). Das BVG hat die Aufgabe, eine schriftliche Vereinbarung mit den Gesellschaften über die Mitbestimmung abzuschließen, in welcher die Zahl und das Wahlverfahren für die Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsrates sowie dessen Rechte festzulegen sind.[261] Die Vorschriften der §§ 232 ff. ArbVG gelten nur subsidiär (§ 260 ArbVG). Gelangen die Regelungen über die Arbeitnehmermitbestimmung zur Anwendung, sind Nachweise über das ordnungsgemäße Verfahren der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Firmenbuch beizufügen.[262]

[260] Ausnahmen vom Territorialprinzip gelten gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 MgVG beispielsweise für §§ 10 ff. MgVG, welche das Verfahren zur Wahl der deutschen Mitglieder des Besonderen Verhandlungsgremiums regeln (vgl. hierzu Müller-Bonnani/Müntefering, NJW 2009, 2347, 2348).
[261] Vgl. dazu ausführlich Zeiler/Laimer, in: Frotz/Kaufmann, S. 199 ff.
[262] Vgl. dazu näher Kaufmann, in: Frotz/Kaufmann, § 15 EU-VerschG Rn 14 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge