Rz. 27
Hat der Testamentsvollstrecker vermögensverwaltende Leistungen zu erbringen, steht er vor der Frage, ob er diese selbst oder unter Einsatz der bankmäßig vorgehaltenen Dienstleistungen erbringen soll. Beide Wege sind gangbar, wenn der Erblasser keine anderweitigen Anordnungen getroffen hat.
Praxishinweis
Für die Entscheidung des Testamentsvollstreckers sollte letztendlich immer eine selbstkritische Einschätzung seiner eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten ausschlaggebend sein. Nach § 2219 BGB haftet der Testamentsvollstrecker für jede Pflichtverletzung, die ihm bei der Führung seines Amtes unterläuft. Dabei kommt es bei dem anzulegenden Sorgfältigkeitsmaßstab nicht auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers an. Vielmehr wird ein objektiver Sorgfältigkeitsmaßstab angelegt.
I. Vermögensverwaltung durch den Testamentsvollstrecker selbst
1. Grundpflichten des vermögensverwaltenden Testamentsvollstreckers
Rz. 28
Als allgemeiner Orientierungshorizont für die Grundpflichten des vermögensverwaltenden Testamentsvollstreckers können folgende Grundsätze formuliert werden:[8]
▪ | Wirtschaftlichkeit: Vermeiden von Schaden und Nutzen von realistischen Chancen wie ein Treuhänder[9] |
▪ | Produktive Verwaltung: planvolle und Nutzen steigernde Geldanlage mit hinreichender Sachkenntnis |
▪ | Gebot der Diversifikation und Grenzen der Spekulation: Vermeidung von Klumpenrisiken, Aufteilung des Vermögens auf die o.g. Anlagemedien und disziplinierte Anlagen in Totalrisikopapiere |
▪ | Vermeidung von Interessenkonflikten. |
Rz. 29
Umgesetzt auf die konkret zu treffenden Vermögensanlageentscheidungen ergeben sich folgende Verpflichtungen des Testamentsvollstreckers:[10]
▪ | Feststellung der Risikoakzeptanz (nach den Vorstellungen des Erblassers) |
▪ | Ermittlung der Anlageziele (Vermögenserhaltung, Vermögensmehrung, Liquidität) |
▪ | Ermittlung der Anlagestrategie |
▪ | Überprüfung der vorgefundenen Anlageobjekte (Vermögensanalyse und ggf. Anpassung an die festgestellte Risikoneigung) |
▪ | Auswahl neuer Anlageobjekte |
▪ | ständige Überwachung der Vermögensentwicklung (Portfolioreview/Vermögenscontrolling). |
Gestaltungshinweis
Zur Vermeidung von späteren Auseinandersetzungen mit den Erben über die Anlagerichtlinien empfiehlt es sich, dass der Erblasser bereits in seiner letztwilligen Verfügung Richtlinien für die Vermögensanlage niederlegt.[11]
Rz. 30
Muster 5.1: Anlagerichtlinien der Bank im Bistum Essen
Muster 5.1: Anlagerichtlinien der Bank im Bistum Essen
I. Anwendungsbereich
Diese Richtlinie gilt für die Vermögensverwaltung durch den Vorstand bzw. durch den vom Kuratorium benannten Vermögensverwalter.
II. Anlagegrundsätze
Das Vermögen ist bei Gewährleistung der gebotenen Zahlungsfähigkeit mit dem Ziel größtmöglicher Wertbeständigkeit (Kapitalerhalt) und Ertragskraft (Erzielung einer angemessenen Rendite, um den Stiftungszweck zu verwirklichen) anzulegen. Dabei sind die Auszahlungsverpflichtungen zu berücksichtigen.
III. Anlageformen
Unter Berücksichtigung der gebotenen Zahlungsfähigkeit (Liquidität) sind folgende Anlageformen zulässig bzw. geboten:
1. | Bankeinlagen mit _________________________ % Einlagensicherung und festverzinsliche Wertpapiere (Renten) in einem Umfang von mindestens _________________________ % des Buchwertes des Vermögens |
2. | Aktien oder aktienähnliche Wertpapiere (z.B. Discount-, Bonus- oder Expresszertifikate) sowie Aktienfonds einschließlich Mischfonds mit überwiegendem Anteil an Anlagen, die nicht Renten- und Immobilienanlagen sind, in einem Umfang von bis zu _________________________ % des Buchwertes des Vermögens |
3. | Genossenschaftsanteile und Genussrechte; in einem Umfang von bis zu _________________________ % des Buchwertes des Vermögens |
4. | Wertpapier-Innovationen in einem Umfang von bis zu _________________________ % des Buchwertes des Vermögens; diese sind entsprechend ihrem tatsächlichen Charakter den Anlageformen Aktien (z.B. Aktienanleihen) oder Renten zuzuordnen. |
5. | Die Direktanlage in Immobilien ist grundsätzlich unzulässig. Zur Diversifizierung des Vermögens ist eine Anlage in Immobilien-Fonds (Publikums- und Spezialfonds) bis zu einem Umfang von _________________________ % des Buchwertes des Vermögens zulässig. |
6. | Der Handel mit Optionen und Futures ist nur in geringem Umfang (max. _________________________ %) bei gedeckten Geschäften und zur Absicherung zulässig. |
7. | Rohstoffwerte in Höhe von max. _________________________ % |
8. | Mikrofinanz: Mikrofinanzierungen in einem Umfang von bis zu _________________________ %. |
IV. Nachhaltigkeit
Die Anlagegrundsätze genügen den fünf Kernprinzipien nachhaltigen Handelns. Das gemeinsame "Sozialwort der Kirchen" benennt sie: Gerechtigkeitsförderung, Sozial-, Friedens-, Umwelt- und Generationengerechtigkeit. Ausschlusskriterien stellen die wichtigste Hürde für Unternehmen, Institutionen und Länder dar. Beispielsweise werden Unternehmen, die Rüstungsgüter produzieren, im Atomenergiebereich tätig sind, Glücksspiele anbieten oder Alkoholika oder Tabakwaren produzieren sowie Staaten, die Menschenrechte systematisch verletzen, grundsätzlich ausgeschlossen.
V. Rating
Die Anlage soll grundsätzlich nur in Em...
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