Rz. 78

Die Regelung in § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB ist im Wesentlichen deckungsgleich mit § 744 Abs. 1 BGB. Der Begriff der "Verwaltung" ist weit und umfassend zu verstehen: Er umfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung laufender Verbindlichkeiten des Nachlasses erforderlich oder geeignet sind.[178] Der BGH hat 2005 entschieden, dass dazu grundsätzlich auch Verfügungen über Nachlassgegenstände zählen.[179]

Ann formuliert plastisch, dass

Zitat

"Verwaltung alles sein soll, was den Status Quo des Erblasservermögens sichert, wie er im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hat. Verwaltungshandeln ist so in erster Linie “Bewahrungshandeln’".[180]

Weiter führt Ann aus, dass

Zitat

"werbendes Handeln der Nachlaßverwaltung zumindest nicht wesensfremd sein kann. Nachlaßverwaltung ist also auch Bewahrungshandeln, erschöpft sich darin aber nicht."[181]

 

Rz. 79

Verwaltungsmaßnahmen sind bspw.:[182]

Anfechtung (auch eines Eigentümerbeschlusses);
Antragstellung und deren Rücknahme beim Grundbuchamt;
Baumaßnahmen auf einem Grundstück;
Entlassung oder Anstellung von Grundstücksverwaltern oder Bediensteten;
Erlass von Forderungen; Forderungseinziehung (auch Miet- und Pachtzins);[183]
Handelsgeschäft fortführen oder einstellen;[184]
Kapitalanlage bis zur Auseinandersetzung;[185]
Klage zum Schutz eines verpfändeten Grundstücks vor ungerechtfertigter Vollstreckung;[186]
Mahnungen; Nachbarschaftsrechte, die gegen Baugenehmigung geltend gemacht werden;[187]
Nachlassschulden begleichen, insbes. laufende Verbindlichkeiten;[188]
Pflichtteilsansprüche beziffern und auszahlen (auch bei Testamentsvollstreckung);
Rechtsstreitigkeiten einschließlich der Prozessführung;[189]
Regelung der Benutzung von Nachlassgegenständen;[190]
Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, soweit sie aus Nachlassmitteln beglichen werden können;[191]
Rücktritt; Stille Gesellschaft mit Dritten eingehen;[192]
Stimmrechtsausübung aufgrund eines GmbH-Geschäftsanteils vor Ausübung des Stimmrechts gem. § 18 Abs. 1 GmbHG;[193]
Verarbeitung halbfertiger Produkte, auch wenn dadurch neue Produkte entstehen;
Veräußerung von Grundstücken;[194]
Vergleichsabschluss über Forderungen für und gegen den Nachlass;[195]
Vermietung und Verpachtung[196] von Nachlassgegenständen;[197]
Vertragsabschluss;
Verwaltung und Vertretung auf einzelne Miterben oder einen Dritten übertragen;[198]
Vollmachterteilung;[199]
Widerruf einer vom Erblasser erteilten Vollmacht;[200]
Widerspruch gegen Verlängerung eines Mietverhältnisses;

Eine "Übertragung" dieser Beispiele auf den konkreten Fall darf jedoch nur mit größter Vorsicht erfolgen. Es kommt auf die konkreten Umstände an, ob eine Verwaltungsmaßnahme vorliegt.

Unterschiedlich wurde bis in das Jahr 2006 noch beurteilt, ob die Kündigung von Miet- und Pacht-Verträgen sowie auch anderen Verträgen eine Verwaltungsmaßnahme[201] oder eine Verfügung i.S.v. § 2040 BGB darstellt. Da eine Kündigung als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung unmittelbar auf das Rechtsverhältnis einwirkt, kann es sich letztlich nur um eine Verfügung handeln.[202] Seine gegenteilige Rechtsprechung von 1951 hat der BGH 2006 aufgegeben.[203]

 

Rz. 80

Keine Verwaltungsmaßnahmen sind:[204]

Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 2034 BGB;
Bestattung des Erblassers (Leiche ist nicht Eigentum der Erben);
Exhumierung des Erblassers (Leiche ist nicht Eigentum der Erben);
Obduktion des Erblassers (Leiche ist nicht Eigentum der Erben);
Handlungen, die auf die Auseinandersetzung oder Auflösung des Nachlasses gerichtet sind (keine Erhaltung oder Nutzung des Nachlasses);
Mitgliedschaftsrechtliche Organisation der Erbengemeinschaft (z.B. Regelung des Stimmenverhältnisses und der Stimmabgabe);[205]
Vereinbarung über den Ausschluss der Auseinandersetzung;
Widerruf einer von den Miterben erteilten Vollmacht (Widerruf bezieht sich auf die personenbezogene Vollmacht, nicht auf einen Nachlassgegenstand; jeder Miterbe widerruft mit Wirkung gegen sich alleine[206]);[207]

§ 2038 BGB unterscheidet nicht danach, ob eine Maßnahme auch außerhalb der Erbengemeinschaft oder lediglich im Innenverhältnis wirkt. "Verwaltung" umfasst daher sowohl die interne Beschlussfassung (also Maßnahmen im Innenverhältnis) als auch bspw. Rechtsgeschäfte mit Dritten (also Maßnahmen im Außenverhältnis).

Die Verwaltung ist durch die Erben selbst vorzunehmen. Die Verwaltung durch einen außenstehenden (Fremd-)Verwalter ist nur dann erforderlich (und damit möglich), wenn die Miterben selbst nicht in der Lage oder nicht bereit sind, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten.[208] Die Erben können aber nach Auffassung des BGH mehrheitlich einen (Fremd-)Verwalter bestimmen.[209] Dies ist manchmal ein guter Weg, um die "Patt-Situation" zwischen den Erben zu beenden, und den Nachlass in seinem wirtschaftlichen Bestand zu wahren und zu mehren.

 

Rz. 81

In bestimmten Fällen könn...

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