Rz. 208

Der eingeklagte Anspruch muss begründet werden. Dieser Sachvortrag muss schlüssig, substantiiert und wahrheitsgemäß sein und sollte für den (erwarteten) Fall des Bestreitens unter (zulässigen) Beweis gestellt werden.

1. Schlüssigkeit und Substanz

 

Rz. 209

Schlüssigkeit setzt voraus, dass zu allen Bestandteilen der einschlägigen Vorschrift (Tatbestandsmerkmalen) vollständig vorgetragen wird. Im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung müssten diese Tatsachen – als wahr unterstellt – die mit der Klage verfolgte Rechtsfolge (regelmäßig den Anspruch entsprechend dem Klageantrag) tragen. Der BGH formuliert die Anforderungen folgendermaßen:[100]

Zitat

"Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast bei einem Beweisantritt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des Tatsachenvortrags der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Wenn das Parteivorbringen diesen Anforderungen genügt, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Vielmehr muss der Tatrichter dann in die Beweisaufnahme eintreten, um dort ggf. weitere Einzelheiten zu ermitteln."

 

Rz. 210

Als Voraussetzung für den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die beklagte Partei ergibt sich dies aus § 331 Abs. 1, 2. Hs. ZPO.

Der Kläger muss mithin Folgendes vortragen/behaupten:

 

Beispiel (Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises, § 433 Abs. 2 BGB):

Abschluss des Vertrages: Wann, wo und mit welchen Erklärungen im Einzelnen wurde er geschlossen?
Leistung und Gegenleistung: Worauf haben sich die Parteien genau geeinigt? Wie hoch ist insbesondere der Kaufpreis?
Vertragsparteien: Wer sollte Vertragspartei werden (eine, zwei oder mehrere Personen, eine Privatperson oder eine Firma)?
 

Rz. 211

Schlüssiges Vorbringen reicht nur bei einseitigem Vorbringen (wenn sich der Beklagte nicht verteidigt oder er nicht wirksam vertreten wird) oder unstreitigem Vorbringen. Ansonsten richten sich die Substantiierungsanforderungen im Einzelfall nach der Verteidigung des Beklagten: Ist z.B. der Abschluss eines Vertrages außer Streit, muss dazu nicht näher vorgetragen werden. Wird der Abschluss indes bestritten, muss zum Zustandekommen im Einzelnen (und unter Beweisantritt) vorgetragen werden. Dieser Sachvortrag muss substantiiert sein. Es muss mit "Kern und Gehalt" dargestellt werden, dass alle Tatbestandsmerkmale gegeben sind.

[100] BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – I ZR 168/15, juris Rn 16 = AnwBl 2016, 853; vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.5.2019 – VI ZR 328/18, juris = NJW 2019, 3236–3237 (Leitsatz und Gründe).

a) Anforderungen

 

Rz. 212

Die Anforderungen sind streng, z.B. sind bei einer Gesamtforderung, die aus mehreren Einzelforderungen besteht, die jeweiligen Zahlen so zusammenzustellen, dass das Gericht die behauptete Forderung rechtlich und rechnerisch prüfen kann. Rechtsbegriffe, wie z.B. "Werkvertrag", "Eigentum", "Stellvertretung" usw. sind im Zweifel tatsächlich auszufüllen. Je mehr der Beklagte in der Klageerwiderung vorträgt, desto weiter ist die Pflicht für den Kläger, den Sachverhalt noch zu konkretisieren. Dabei ist auch maßgebend, ob und inwieweit sich die Ereignisse im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben: Steht die Partei außerhalb des Geschehensablaufs und kennt sie die Tatsachen nicht näher, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind, dann ist die weitere Substantiierungslast begrenzt.

 

Rz. 213

Gerade in umfangreichen Prozessen muss sorgfältig vorgetragen werden. Der Rechtsanwalt muss seinen Mandanten daher exakt und zu jedem relevanten Detail befragen.

 

Rz. 214

Ist es zu konkreten Punkten des Sachvortrags zweifelhaft, ob schon genug vorgetragen worden ist, kann um einen rechtlichen/richterlichen Hinweis gebeten werden.

Indes können freilich auch seitens des Gerichts richterliche Hinweise erfolgen, ohne dass eine der Parteien darum gebeten oder damit auch nur gerechnet hätte. Aus der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung ist beispielsweise auf die Konstellation zu verweisen, dass das Gericht an einer entscheidungserheblichen Rechtsauffassung nicht mehr festhalten will. Speziell ist ein Hinweis dann geboten, wenn das Gericht diese Rechtsauffassung in einem früher zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit vertreten hat und eine Partei in einem weiteren zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit – für das Gericht erkennbar – davon ausgeht, dass das Gericht auch in diesem Verfahren keine abweichende Auffassung vertreten werde.[101]

Erteilt das Gericht einen Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 S. 1 ZPO erst im Termin zur mündlichen Verhandlung und gewährt einen Schriftsatznachlass (§ 139 Abs. 5, § 296a S. 2 ZPO), ist es verpflichtet, den fristgerecht eingereichten Schriftsatz bei seiner Entscheidung zu berü...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge