Rz. 171

Mit einer Klage können auch Kosten der bisherigen außergerichtlichen Rechtsverfolgung geltend gemacht werden. Diese sind nämlich regelmäßig ebenfalls Verzugsschäden: Hätte der Schuldner rechtzeitig geleistet, wären die Rechtsverfolgungskosten, explizit Rechtsanwaltsgebühren, nicht entstanden. Wichtig ist dabei aber, dass der Gläubiger erst nach dem Eintritt des Verzuges (z.B. nachdem der Schuldner die Mahnung erhalten hat und eine gesetzte Frist abgelaufen ist) die Rechtsanwaltskanzlei beauftragt hat und zwar zunächst nur zu einer außergerichtlichen Tätigkeit (also noch keinen Klageauftrag erteilt hat), die auch Aussicht auf den Inkasso-Erfolg hatte (ansonsten wäre sogleich der Klageweg zu beschreiten). Selbst wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung bereits fällig ist (vgl. die Auflistung oben), sind die Kosten einer Erstmahnung ansonsten nicht erstattungsfähig.

 

Rz. 172

 

Praxistipp

Im Rahmen einer Mandatsanbahnung, wenn z.B. der Rechtsanwalt zunächst über ein etwaiges Mandat telefoniert, kann er seinen künftigen Klienten danach befragen, ob dieser bereits eine Mahnung verfasst und dem Schuldner beweisbar – z.B. per Boten – übergeben hat. Sollte dies nicht der Fall sein, kann darauf hingewiesen werden, dass eine solche Vorgehensweise erforderlich ist, um die Rechtsanwaltsgebühren als erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten geltend machen zu können.

 

Rz. 173

Zu unterscheiden ist, ob diese Gebühren vor der Klageerhebung bereits bezahlt worden sind oder nicht. In beiden Fällen setzt die Schlüssigkeit eines Zahlungs- oder Freistellunganspruchs gegen den Schuldner eine Rechnungslegung gegenüber dem Mandanten i.S.d. § 10 RVG und nicht nur eine Berechnung und Geltendmachung gegenüber dem Schuldner voraus.

 

Rz. 174

 

Falls die Gebühren bereits ausgeglichen worden sind, lautet der zusätzlich zu stellende Antrag:

Zitat

Des Weiteren wird beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere […] EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem […] (Datum der Zahlung an den Bevollmächtigten) an nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

 

Soweit noch nicht bezahlt worden ist, muss vom Rechtsanwalt ein Freistellungsantrag gestellt werden:

Zitat

Ferner wird beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin hinsichtlich der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten […] über […] EUR an nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus der Kostenrechnung vom […] freizustellen.

 

Rz. 175

Damit wird erreicht, dass nach der Verurteilung des beklagten Schuldners auch diese Kosten ggf. zwangsweise beigetrieben werden können.

 

Rz. 176

Neben einem Erstattungsanspruch aus Verzug sind in der Praxis die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten

bei einem Verkehrsunfall,
aus deliktischer Haftung oder
im Zusammenhang mit einer Mängelhaftung

wichtige weitere Anwendungsfälle.

Eine Schadensersatzpflicht nach § 249 BGB erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs verursachten Kosten der Rechtsverfolgung. Diese fallen auch bei einem Schadenersatzanspruch aus § 823 BGB und/oder § 7 StVG in den Schutzbereich der verletzten Norm. Die Ersatzpflicht setzt voraus, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist und die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war.[92]

 

Rz. 177

Hingegen kann der vermeintliche Schuldner, der unberechtigt in Anspruch genommen worden ist und dem außergerichtlich Rechtsverfolgungskosten/Anwaltsgebühren entstanden sind, regelmäßig keine Erstattung vom scheinbaren Gläubiger verlangen.[93] Bestehen keine vertraglichen und auch keine vorvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien und ist die unberechtigte Inanspruchnahme auch keine deliktische Handlung, können die Gebühren dem Forderungssteller nicht aufgelastet werden. Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass eine unberechtigte Inanspruchnahme zum allgemeinen Lebensrisiko gehört.

 

Rz. 178

Nur ausnahmsweise gilt in folgenden Sachlagen etwas anderes:

Bei Vertragsabschluss handelte die andere Partei bereits schuldhaft oder
sie hat schuldhaft Pflichten aus einem Vertrag verletzt.
Es liegt strafbares Verhalten vor, z.B. Betrug.
Der Gegner hat vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt.
 

Rz. 179

Dies bedeutet: Derjenige, der aus einer angeblichen Forderung in Anspruch genommen wird, kann grundsätzlich vom Anspruchsteller nicht verlangen, dass dieser ihm aufgewendete Anwaltsgebühren erstattet.

 

Rz. 180

Weil die Nebenforderungen – Verzugszinsen und Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten – nach dem Abschluss des Verfahrens nicht mehr berücksichtigt werden, sind sie in jedem Fall schon mit der Klage einzufordern.

 

Rz. 181

Im Folgenden werden weitere wichtige Anträge mit Zinsforderungen dargestellt. Dabei sind die nachstehenden Besonderheiten bei einzelnen Sachanträgen zu berücksichtigen.

[92] Zu den Einzelheiten: Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 249 BGB Rn 57 m.w.N.
[93] Vgl. dazu: P...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge