Rz. 45

Wenn Wohnsitz und Gerichtsort verschieden sind – angesichts der besonders hohen Mobilität der Betroffenen in Trennungs- und Scheidungsfällen eine häufige Situation – wird in der Regel zunächst der Anwalt am Wohnort aufgesucht. Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, steht der Anwalt, der heute ohne die Schranken der Postulationsfähigkeit vor jedem Familiengericht auftreten kann (was hohen Aufwand, viel Zeit und Reisekosten bedeutet), vor der Frage, ob er den Prozess selbst führen will oder ob ein Anwalt am Ort beigezogen wird.

1. Der Prozess mit zwei Anwälten (Korrespondenzanwalt oder Unterbevollmächtigter)

 

Rz. 46

Es gibt zwei Möglichkeiten: Der Korrespondenzanwalt ist der Anwalt am Sitz der Prozesspartei, der die Korrespondenz mit dem Anwalt führt, der am Ort des Gerichts tätig ist und als Prozessanwalt das Verfahren betreibt. Der Korrespondenzanwalt erhält (höchstens) eine 1,0 Verfahrensgebühr (Nr. 3400 VV RVG). Er erhält (wenn er nicht auf besonderen Wunsch des Mandanten zum Termin mitkommt oder eine Besprechung zur Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens führt i.S.v. Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG) keine Terminsgebühr. Die Einigungsgebühr kann (auch) für ihn entstehen, z.B. wenn er eine vom Prozessanwalt widerruflich abgeschlossene Vereinbarung mit dem Mandanten bespricht und ihm rät, nicht zu widerrufen. Der Prozessanwalt verdient die 1,3 Verfahrensgebühr und die 1,2 Terminsgebühr und die Einigungsgebühr.

 

Rz. 47

Daneben gibt es die Konstruktion Hauptbevollmächtigter – Unterbevollmächtigter (wenn ein Anwalt nur damit beauftragt wird, einen Termin wahrzunehmen, ist er der Terminsvertreter; üblich ist heute, dass der betreffende Anwalt nicht nur einen Termin wahrnehmen soll, sondern alle Termine und auch für Zustellungen zuständig sein soll. Dann heißt er "Unterbevollmächtigter"; es gilt für ihn das gleiche wie im RVG für den Terminsvertreter steht, also Nrn. 3401 ff. VV RVG). Nach dem RVG verdient der Hauptbevollmächtigte die 1,3 Verfahrensgebühr. Er verdient die Terminsgebühr nur, wenn er entweder auf Wunsch des Mandanten zum Termin kommt oder ein Gespräch zum Zweck der Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens führt (Besprechung i.S.d. Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV RVG). Die Einigungsgebühr verdient er unter den gleichen Voraussetzungen wie der Korrespondenzanwalt. Der Unterbevollmächtigte erhält die Hälfte der Verfahrensgebühr, die der Hauptbevollmächtigte verdient, in der Regel also 0,65 sowie die volle Terminsgebühr und ggfs. die Einigungsgebühr (Nrn. 3401, 3402 VV RVG).

 

Rz. 48

Während bei der Kombination Korrespondenzanwalt/Prozessbevollmächtiger also (jeweils ohne Einigungsgebühr) 3,5 Gebühren anfallen (1,0 + 1,3 + 1,2), entstehen bei Hauptbevollmächtigten/Unterbevollmächtigten in der Regel 3,15 Gebühren (0,65 + 1,2 + 1,3).

Die Erweiterung der Terminsgebühr auf Protokollierungs- und Anhörungstermine wirkt sich auch auf den Unterbevollmächtigten aus:

Vor der Änderung durch das 2. KostRMoG konnte der Unterbevollmächtigte, der nur beauftragt war, an dem Anhörungstermin (z.B. an der Anhörung des Ehegatten im Scheidungsverfahren, der nicht am Prozessort wohnt) keine Terminsgebühr verdienen. Er wurde mit einer 0,8 Gebühr gem. Nr. 3403 Nr. 1 VV RVG vergütet. Nach jetzigem Recht verdient er die Verfahrensgebühr in der Höhe der Nr. 3401 VV RVG und die Terminsgebühr in der Höhe der Nr. 3402 VV RVG, weil auch der Anhörungstermin die Terminsgebühr auslöst (Vorb. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG). Das Gleiche gilt, wenn er beauftragt wird, einen Vergleich zu protokollieren, den die Hauptbevollmächtigten ausgearbeitet haben: Er verdient jetzt die gleichen Gebühren (Nr. 3401 und Nr. 3402 VV RVG) wie im Beispiel vorher, weil auch der reine Protokollierungstermin die Terminsgebühr auslöst.[51]

[51] Beispiele aus: Das neue Gebührenrecht für Rechtsanwälte, Schneider/Thiel, Rn 1052 bis 1056 m. d. Hinweis, dass, wenn es sich um eine formbedürftige Einigung handelt, die erst mit der Protokollierung gem. § 127a BGB wirksam wird, der Terminsvertreter/Unterbevollmächtigte auch die Einigungsgebühr verdient (Rn 1057).

2. Kosten des Mehraufwands

a) Mehraufwand

 

Rz. 49

Es fallen entweder Abwesenheitsgelder und Reisekosten des Anwalts an, der am Wohnsitzort ist, oder es fallen Kosten für den zweiten Anwalt an. Außerhalb der Verfahrenskostenhilfe stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der kostenerstattungspflichtige Gegner diese Kosten erstatten muss. Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe stellt sich die Frage etwas anders, nämlich ob und unter welchen Voraussetzungen die Staatskasse für Abwesenheitsgeld/Reisekosten des auswärtigen Anwalts oder für Kosten eines zweiten Anwalts aufkommen muss.

b) Unterbevollmächtigter ist grundsätzlich "notwendig"

 

Rz. 50

Der BGH hat eine grundlegende Entscheidung vor einigen Jahren getroffen (zur Entscheidung für die VKH-Fälle vgl. § 14 Rdn 96 ff.).[52]

Der BGH hält die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Anwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Halbsatz ZPO (anwendbar über § 113 Abs. 1 FamFG). Einen solchen Regelfall nimmt er nur dann nicht an,...

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