Rz. 8

Die dort geregelten Fälle haben die Besonderheit, dass zwei Angelegenheiten zusammengeführt werden, nämlich das rechtshängige Verfahren einerseits, und die Angelegenheit, in der eine Einigung erzielt wurde oder erzielt werden soll, andererseits. Die letztere Angelegenheit kann verschiedene Vorgeschichten haben: Es kann (1) bisher noch gar kein Anwaltsmandat vorgelegen haben, so dass keinerlei Gebühren angefallen sind (der Mandant hat selbst verhandelt und die Einigung erzielt, die jetzt protokolliert werden soll; der Mandant hat selbst verhandelt, es ist ihm nicht gelungen zu einer Einigung zu kommen und er möchte jetzt im Termin – typischerweise im Scheidungstermin – durch seinen Anwalt den Versuch gemacht haben eine Einigung herbeizuführen); es kann ein (2) außergerichtliches Vertretungsmandat vorangegangen sein, wobei der Anwalt an der Erarbeitung der Vereinbarung mitgewirkt hat oder sich vergeblich um eine Vereinbarung bemüht hat, es kann (3) ein außergerichtliches Vertretungsmandat vorgelegen haben, für das noch keine anwaltliche Tätigkeit entwickelt wurde, und es kann schließlich (4) der Auftrag vorliegen, die Sache anderweitig gerichtlich geltend zu machen und auch noch (5) die Sache bereits anderweitig gerichtlich geltend gemacht worden sein. Auch im letzteren Fall handelt es sich bei dem Vorgang, der der Gebühr Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG zugrunde liegt, nicht um eine Verfahrensverbindung. Alle diese Ansprüche sind "in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche" i.S.d. Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG. Sind bereits Gebühren entstanden – außergerichtliche oder Verfahrensgebühren – stellt sich die Frage der Anrechnung. Diese ist in Anm. Abs. 1 zu Nr. 3101 VV RVG (für die Verfahrensgebühr) und in Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG für die Geschäftsgebühr sowie in § 34 Abs. 2 RVG für die Beratung geregelt und wird im § 6 Rdn 1 ff. behandelt.

 

Rz. 9

In Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG wird das Wort "Einigung" benutzt. Umstritten ist, ob diese "Einigung" identisch mit der "Einigung" der Nr. 1000 VV RVG oder ob der Begriff weiter zu verstehen ist. Unbestritten ist, dass es kein Vergleich i.S.d. § 779 BGB sein muss, gegenseitiges Nachgeben also nicht erforderlich ist.[4]

Weitergehend wird teilweise angenommen, dass überhaupt alle Ansprüche erfasst sind, auch wenn über diese Ansprüche zuvor kein Streit bestand, wenn die Vereinbarung in einem Anerkenntnis oder in einem Verzicht besteht.[5] Diese Auslegung hat den Vorzug, dass keine – eigentlich unnötigen – Grenzen gezogen werden, sondern die "Regelung" einbezogen wird und damit die Protokollierung von jeglichen Vereinbarungen honoriert wird. Dieser Auslegung ist zuzustimmen. Es geht in diesem Zusammenhang um die Entlastung der Justiz, so dass es keine Rolle spielt, wie die Einigung inhaltlich aussieht.

 

Rz. 10

Die Verhandlungen müssen vor Gericht geführt werden. Dies ergibt der Wortlaut des Gesetzes. Es muss kein eigens anberaumter Gerichtstermin sein. "Verhandlung" ist beiderseitige Erörterung der betreffenden Ansprüche, hat also mit dem Begriff der "Verhandlung" i.S.d. Zivilprozessverfahrens nichts zu tun.[6]

 

Rz. 11

Die 0,8 Verfahrensgebühr fällt unabhängig vom Verhandlungserfolg an.[7]

 

Rz. 12

Die "Feststellung" i.S.d. § 278 Abs. 6 ZPO, die in Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG erwähnt wird, betrifft dagegen nur Vergleiche i.S.d. § 779 BGB über Gegenstände, die in diesem Verfahren nicht rechtshängig sind.

 

Rz. 13

In diesen Fällen wird mit dem Ziel einer Einigung über "hier" nicht rechtshängige Ansprüche ("Mehrvergleich") mit oder ohne Erfolg verhandelt, protokolliert oder festgestellt. Dann entsteht neben der Verfahrensgebühr des "hier" rechtshängigen Verfahrens (1,3) die 0,8 Verfahrensgebühr für diese Tätigkeiten. Beide Gebühren stehen sozusagen nebeneinander (auch wenn es immer nur eine Verfahrensgebühr gibt, § 15 Abs. 1 RVG) und werden über § 15 Abs. 3 RVG geprüft und ggf. gekürzt.

[4] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3101 Rn 86.
[5] So AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV 3101 Rn 106 ff., 108: Alle Einigungen, nicht nur solche, die unter VV 1000 fallen, also auch Einigungen, wenn kein Streit bestand, wenn die Vereinbarung in einem Anerkenntnis oder Verzicht besteht, über Rechtsverhältnisse, wenn keine Ungewissheit bestand.
[6] AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV 3101 Rn 119.
[7] Dies ergibt die Neufassung durch das 2. KostRMoG; es wurde zeitweilig vertreten, dass dann, wenn die Einigungsverhandlungen zum Erfolg führen, nicht 0,8, sondern 1,3 anfallen. Das ist nach der Änderung nicht mehr der Fall (so die frühere Meinung AnwK RVG/Onderka/N. Schneider, VV 3101 Rn 106 ff., 118 ff.), nach der Gesetzesänderung AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV 3101 Rn 101 ff.

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