Rz. 260

§ 308 Nr. 1 BGB ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie vom 20.9.2013[559] an das geänderte Widerrufsrecht für Verbraucherverträge angepasst worden. Da die §§ 355 ff. BGB nach Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie nur noch ein Widerrufsrecht des Verbrauchers vorsehen und das frühere Rückgaberechte entfallen ist, wurde der Verweis in § 308 Nr. 1 2. Hs. BGB entsprechend angepasst. Zudem wurde das Klauselverbot durch das Gesetz zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 22.7.2014 um die Klauselverbote in § 308 Nr. 1a BGB (siehe Rdn 291 ff.) und in § 308 Nr. 1b BGB (siehe Rdn 306 ff.) ergänzt.

 

Rz. 261

Nach § 308 Nr. 1 BGB sind solche Vertragsbedingungen unwirksam, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Frist für die Annahme oder die Ablehnung eines Angebotes oder die Erbringung einer Leistung vorbehält. § 308 Nr. 1 BGB ist mit der für die Vorschrift erforderlichen Unangemessenheit eine Konkretisierung der Regelung des § 307 Abs. 1 BGB, weshalb die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs auch inhaltlich an diese Vorschrift angelehnt ist. Dagegen darf sich der Verwender vorbehalten, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zu leisten.

 

Rz. 262

Da Zahlungsfristen, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält, nunmehr durch § 308 Nr. 1a BGB erfasst werden, ist der Anwendungsbereich des § 308 Nr. 1 BGB entsprechend eingeschränkt. Gleiches gilt für unangemessene Überprüfungs- und Abnahmefristen, die jetzt von § 308 Nr. 1b BGB erfasst werden.

 

Rz. 263

Zweck der Vorschrift ist es, eine Ungleichbehandlung der Vertragspartner insoweit zu verhindern, dass sich der Verwender für den Abschluss des Vertrages oder die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung einen unangemessen langen Entscheidungsspielraum vorbehält, während die Bindung des Vertragspartners sofort eintritt.[560] Damit soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass sich der Vertragspartner hinsichtlich wesentlicher Gesichtspunkte der Beziehung zum Verwender im Unklaren befindet und in seiner Erwartung an eine rechtszeitige Leistung enttäuscht wird. Gleichzeitig soll ihm seine Dispositionsfreiheit nicht durch eine zu lange Antragsbindungs- oder Leistungsdauer genommen werden.[561]

 

Rz. 264

§ 308 Nr. 1 BGB findet grundsätzlich auf alle Arten von Verträgen und alle vertraglichen Leistungspflichten Anwendung.[562] Dies gilt insbesondere auch für Verträge, die die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB A) einbeziehen.[563] Wichtigste gesetzliche Annahmefrist ist § 147 BGB, der eine Annahme unter Anwesenden nur sofort und unter Abwesenden nach den regelmäßig zu erwartenden Umständen zulässt.[564]

 

Rz. 265

Unwirksam sind zunächst solche Vertragsbedingungen, die eine unangemessen lange Annahme- oder Leistungsfrist vorsehen. Wann eine Annahme- oder Leistungsfrist "unangemessen" i.S.d. § 308 Nr. 1 BGB ist, ist angesichts der durch diesen Begriff eröffneten Wertungsmöglichkeiten eine Frage des Einzelfalls, für den nach der generalisierenden Betrachtungsweise auf die typischen Umstände des Verhältnisses von Verwender und Vertragspartner abzustellen ist. Regelmäßig wird eine Frist jedoch dann unangemessen sein, wenn von der gesetzlich vorgesehenen Frist (z.B. § 147 BGB) deutlich abgewichen wird und dies im Rahmen einer Interessenabwägung nicht durch ein schutzwürdiges Interesse des Verwenders gerechtfertigt ist.[565]

[559] BGBl 2013 I 3642.
[560] Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 1 Rn 1; Palandt/Grüneberg, § 308 Rn 2.
[561] Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 1 Rn 1; MüKo/Wurmnest, § 308 Nr. 1 Rn 1.
[562] BGH IBR 2013, 574; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 1 Rn 3; Palandt/Grüneberg, § 308 Rn 2.
[563] OLG Köln NJW-RR 1993, 1404, 1405; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 1 Rn 3.
[564] Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 1 Rn 6.
[565] BGH NJW 1986, 1807, 1808; BGH NJW 2001, 303; MüKo/Wurmnest, § 308 Nr. 1 Rn 5; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, § 308 Nr. 1 Rn 11.

a) Annahmefrist

 

Rz. 266

Die Annahmefrist betrifft die Dauer, die das Angebot des Vertragspartners gegenüber dem Verwender Gültigkeit behalten soll und während der sich der Verwender über die Annahme oder die Ablehnung des Angebotes entscheiden kann.[566] Dabei ist der Anwendungsbereich des § 308 Nr. 1 BGB grundsätzlich immer dann eröffnet, wenn der Verwender die in § 147 BGB geregelte Annahmefrist zu seinen Gunsten verlängert oder die Bindungsfrist für den Vertragspartner nicht klar wird.[567] Ebenso wie bei § 147 BGB werden auch bei § 308 Nr. 1 BGB alle Angebotsformen erfasst, so dass es keinen Unterschied ausmacht, ob das Angebot einem Anwesenden oder Abwesenden gemacht wird.[568] Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es für die Praxis eher untypisch ist, dass der Verwender eine Annahmefrist für das Angebot des Vertragspartners ...

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