Rz. 12

In den Verfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB ist die Bestellung eines Verfahrensbeistands erforderlich, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt.[30] Der Gesetzgeber hat sich hierbei an § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FGG angelehnt, dieses Regelbeispiel aber dadurch eingeschränkt, dass die vorgenannte Entziehung "in Betracht" kommen muss. Dies deutet darauf hin, dass – anders als früher – die Bestellung erst dann zu erfolgen hat, wenn das Gericht die Entziehung erstmals aufgrund seiner Ermittlungen für durchaus möglich hält, wofür auch die abweichende Formulierung in § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG ("erfolgen soll") spricht;[31] es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diesbezüglich bewusst differenziert hat.

 

Rz. 13

Dieses Regelbeispiel ist leicht nachvollziehbar, hält man sich vor Augen, dass in diesen Fällen schwerwiegende Eingriffe in das Elternrecht in Rede stehen,[32] wodurch die Zuordnung des Kindes zu seiner Familie berührt wird. Diese Verfahren sind daher von erheblicher Bedeutung für das Kind.[33] Hinzu kommt, dass den Verfahren in der Regel ein elterliches Fehlverhalten zugrunde liegt und diese daher zu einer objektiven Interessenvertretung des Kindes häufig nicht mehr in der Lage sind,[34] zumal sie sich häufig – die Praxis beweist dies tagtäglich – um ihre eigene "Verteidigung" anstatt um ihr Kind bemühen. Außerdem stehen die Kinder in einem Loyalitätskonflikt, weil sie trotz des Unvermögens ihrer Eltern meist um deren Verlust fürchten.

 

Rz. 14

Nur ausnahmsweise ist von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes abzusehen, wenn etwa zwischen allen Verfahrensbeteiligen Einvernehmen darüber besteht, dass eine andere Maßnahme als die Trennung des Kindes von seiner Familie nicht in Betracht kommt und sich auch im Rahmen der Anhörung des Jugendamts sowie des Kindes keine gegenteiligen Gesichtspunkte ergeben haben.[35] In diesem Fall sind die Interessen des Kindes durch seine Anhörung, ggf. auch durch die nachfolgende Einholung eines Sachverständigengutachtens, in ausreichendem Maß gewahrt.

[30] OLG Saarbrücken JAmt 2003, 41; siehe auch Büchner/Mach-Hour, Verfahrensbeistandschaft bei Kindeswohlgefährdung, NZFam 2016, 597.
[31] Vgl. Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 158 Rn 10.
[32] OLG Hamm FamRZ 2001, 850; OLG Köln FamRZ 1996, 1027.
[33] BT-Drucks 13/4899, S. 131.
[34] Kemper/Schreiber/Völker/Clausius/Wagner, § 158 Rn 7.
[35] BT-Drucks 13/4899, S. 132.

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