Rz. 34

Bei der Behandlung des Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB) ist danach zu unterscheiden, um wessen Pflichtteilsanspruch es geht:

Der Voraus des überlebenden Ehegatten bei gesetzlicher Erbfolge bleibt bei der Berechnung des Pflichtteils von Abkömmlingen und Eltern außer Betracht (§ 2311 Abs. 1 S. 2 BGB).[122] Dadurch soll der überlebende Ehegatte geschützt werden. Der Pflichtteil wird aus dem Wert des übrigen Nachlasses berechnet, was eine mitunter drastische Minderung der Pflichtteilsbelastung bedeuten kann. Voraussetzung ist allerdings, dass dem überlebenden Ehegatten der Voraus tatsächlich "gebührt". Das ist nicht der Fall, wenn der Erblasser seinem Ehegatten den Pflichtteil oder auch nur den Voraus wirksam entzogen hat oder wenn wegen einer Erbunwürdigkeit des überlebenden Ehegatten kein Anspruch auf den Voraus besteht. Wird der Voraus ausgeschlagen, ändert dies jedoch nichts daran, dass er dem Ehegatten "gebührte".[123]

Erbt der überlebende Ehegatte aufgurnd gewillkürter Erbfolge, kommt ihm die Vergünstigung des § 2311 Abs. 1 S. 2 BGB nach h.M. ebenfalls nicht zugute, da § 1930 BGB an die gesetzliche Erbfolge anknüpft.[124] Nach BGH soll aber eine isolierte Ausschlagung der gewillkürten Erbfolge unter gleichzeitiger Annahme der gesetzlichen Erbfolge (§ 1948 Abs. 1 BGB) möglich (bzw. empfehlenwert) sein.[125] Die gesetzliche Erbfolge kommt aber nur zum Zuge, wenn bezüglich der gewillkürten weder eine (ausdrückliche, konkludente oder gesetzliche, § 2069 BGB) Ersatzerbenbestimmung vorliegt und auch keine Anwachsung eintritt. Dabei ist zu beachten, dass etwa bei einem Berliner Testament (§ 2269 BGB) die Schlusserbeneinsetzung auch als Ersatzerbenbestimmung auf den Tod des Erstversterbenden angesehen werden kann.[126] Der Ansatz des BGH ist daher in der Praxis nicht unproblematisch.[127]

 

Rz. 35

Zu berücksichtigen ist auch, dass nur beim Pflichtteil der Eltern der volle Voraus abgezogen werden kann, bei Abkömmlingen aber nur der zur angemessenen Haushaltsführung benötigte sog. kleine Voraus (§ 1932 Abs. 1 S. 2 BGB).

 

Rz. 36

Der Pflichtteil des Ehegatten selbst errechnet sich aber immer aus dem Gesamtnachlass ohne Abzug des Voraus.[128]

 

Rz. 37

Soweit ein Zugewinnausgleichsanspruch tatsächlich gegenüber dem Nachlass geltend gemacht wird, geht die entsprechende Forderung des längerlebenden Ehegatten nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB dem Pflichtteilsanspruch vor, weil sie sozusagen während der Ehe "verdient" wurde.[129] Ungeachtet der Erhöhung der Erb- und Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber der erbrechtlichen Lösung (siehe § 3 Rdn 47 ff.), schmälert die Ausgleichsforderung den Wert ihrer Pflichtteilsansprüche u.U. erheblich ("taktische Ausschlagung"). Bei der Berechnung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs sind selbstverständlich auch die Anrechnungspflichten nach § 1380 BGB zu berücksichtigen.

 

Rz. 38

Die zum Voraus sowie zum Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten dargestellten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Voraus bzw. den Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Lebenspartners einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft.[130] Der eingetragene Lebenspartner wird pflichtteilsrechtlich wie ein Ehegatte behandelt (§ 10 Abs. 6 S. 2 LPartG).[131]

[122] Dazu Palandt/Weidlich, § 2311 Rn 1; eingehend Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 77ff.; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 37 ff.
[123] Allg.M. Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 77 m.w.N.
[124] BGH v. 6.12.1978 – IV ZR 82/77, BGHZ 73, 29 = NJW 1979, 546; OLG Naumburg v. 5.11.1999 – 6 U 51/99, FamRZ 2001, 1406; Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 37 Fn 252; Palandt/Weidlich, § 2311 Rn 1; BGB-RGRK/Johannsen, § 2311 Rn 10; Gottwald, § 2311 Rn 17. A.A. OLG Kassel Recht 1925, 153 Nr. 463.
[125] BGH v. 6.12.1978 – IV ZR 82/77, BGHZ 73, 26, 36.
[126] Dazu etwa OLG Stuttgart v. 16.3.1978 – 8 W 342/77, BWNotZ 1979, 11 = DNotZ 1979, 615 (LS); J. Mayer, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 22.
[127] Hierzu und zum Folgenden v. Dickhuth-Harrach, in: FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 185, 209 f.
[128] Palandt/ Weidlich, § 2311 Rn 1.
[129] BGH v. 21.3.1962 – IV ZR 251/61, BGHZ 37, 58, 64 = NJW 1962, 1719.
[130] MüKo-BGB/Lange, § 2311 Rn 54.
[131] Kaiser, FPR 2005, 286, 287; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 37.

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