Rz. 69

Unbestritten wird der Wert einer Sache durch ihre Beziehungen zur Umwelt geprägt, so dass er je nach beabsichtigter Verwendung durch den jeweiligen Eigentümer grundsätzlich eine relative Größe darstellt.[241] Daher wird teilweise vertreten, dass die konkreten Verwendungsabsichten des Erben auf die Bewertung durchschlügen[242] und daher eine "subjektivierte Nachlassbewertung" angebracht sei.[243] Der Pflichtteilsberechtigte solle lediglich an dem Wert teilhaben, der sich aufgrund der subjektiven Verwendungsentscheidung des Erben in dessen Hand realisiert.[244]

 

Rz. 70

Dies kann jedoch bereits aus systematischen Gründen nicht richtig sein. Denn dem Wesen des Pflichtteilsrechts, dem Berechtigten eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu sichern, würde es widersprechen, wenn der Erbe die Möglichkeit hätte, das Maß dieser Mindestbeteiligung aktiv zu beeinflussen.[245] Das Stichtagsprinzip gebietet es, bei der Bewertung auf die Situation in der logischen Sekunde des Todes des Erblassers abzustellen.[246] Konkrete Entscheidungen des Erben, wie der Nachlass weiterverwendet werden soll, können jedoch – selbst wenn sich der Erbe bereits zu Lebzeiten des Erblassers seine Gedanken gemacht hat – erst nach dem Anfall der Erbschaft manifest werden. Ihre Berücksichtigung bei der Bewertung würde daher einen eindeutigen Verstoß gegen das Stichtagsprinzip des § 2311 BGB darstellen.

[241] Riedel, Bewertung, Rn 88; W. Müller, JuS 1973, 603, 604 ff.; Großfeld, JZ 1981, 641, 643.
[242] BGB-RGRK/Johannsen, § 2311 Rn 20.
[243] Haas, Pflichtteilsanspruch als Störfall, S. 84.
[244] Haas, Pflichtteilsanspruch als Störfall, S. 77.
[245] Riedel, Bewertung, Rn 89.
[246] Zum Spannungsverhältnis zwischen subjektivierter Bewertung und Stichtagsprinzip vgl. auch Keiler, Anrechnung und Ausgleichung im Pflichtteilsrecht, S. 83.

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