A. Schutz der betrieblichen Altersversorgung von Arbeitnehmern

I. Rechtsgrundlagen

1. Europarechtliche Grundlagen/Bedeutung des Einigungsvertrags

 

Rz. 1

Die Ansprüche des Arbeitnehmers aus der betrieblichen Altersversorgung sind am stärksten in der Insolvenz des Arbeitgebers gefährdet. Dem begegnet das Gesetz mit einem besonderen Sicherungssystem, welches im Folgenden nur in seinen wesentlichen Zügen skizziert werden kann.[1] Die nationalen Gesetzgeber sind zwar durch Art. 8 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980 aufgefordert, die Ansprüche der Arbeitnehmer bei Zahlungsfähigkeit zu schützen, es ergibt sich daraus aber keine Pflicht der EU-Mitgliedstaaten, die vollständige Absicherung der betrieblichen Altersversorgung bei Insolvenz des Arbeitgebers selbst sicherzustellen.[2]

 

Rz. 2

Art. 8 RL 2008/94/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, mindestens die Hälfte des Wertes der Anwartschaften der Betriebsrentner im Fall der Zahlungsunfähigkeit abzusichern. Kommt ein Mitgliedstaat dieser Verpflichtung nicht nach, steht einem von einem Zahlungsausfall betroffenen Betriebsrentner ein Schadensersatzanspruch gegen diesen Mitgliedstaat zu. Art. 8 RL 2008/94 ist dahin auszulegen,

dass für die Feststellung, ob ein Mitgliedstaat die in diesem Artikel vorgesehene Verpflichtung erfüllt hat, die gesetzlichen Rentenleistungen nicht berücksichtigt werden dürfen,
dass es für seine Anwendung ausreicht, dass die betriebliche Zusatzversorgungseinrichtung seit dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers mit unzureichenden finanziellen Mitteln ausgestattet ist und dass der Arbeitgeber wegen seiner Zahlungsunfähigkeit nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um ausreichende Kapitalbeiträge an diese Versorgungseinrichtung mit dem Ziel zu entrichten, die den Mitgliedern geschuldeten Leistungen vollständig zu erfüllen.
Es ist nicht erforderlich, dass die Mitglieder das Vorliegen anderer Faktoren darlegen, auf denen der Verlust ihrer Ansprüche auf Leistungen bei Alter beruht.[3]
 

Rz. 3

Nach dem Einigungsvertrag gilt das Betriebsrentengesetz auch in den neuen Bundesländern, wenn die Versorgungszusage nach dem 31.12.1991 erteilt wurde. Das kann auch durch Bestätigung einer früher erteilten Zusage geschehen.[4] Ist das Betriebsrentengesetz anwendbar, gelten auch die Regeln zum Insolvenzschutz. Danach hat der Pensionssicherungsverein (PSV) für gesetzlich unverfallbare Betriebsrentenanwartschaften einzustehen. Bei der Prüfung, ob die notwendige Betriebszugehörigkeit für die Unverfallbarkeit vorliegt, sind Zeiten der Tätigkeit als Mitglied einer "Produktionsgenossenschaft Handwerk" (PGH) mitzurechnen. Eine solche "Tätigkeit für ein Unternehmen" steht einem Arbeitsverhältnis gleich. Voraussetzung für den Insolvenzschutz ist weiter, dass die Zusage "aus Anlass" eines Arbeitsverhältnisses und nicht wegen einer Gesellschafterstellung erteilt wird. Das ist bei Zusagen einer in eine GmbH umgewandelten ehemaligen PGH, die diese den für sie als Arbeitnehmer tätigen GmbH-Gesellschaftern und ehemaligen PGH-Mitgliedern gegeben hat, dann der Fall, wenn die Zusage nicht entscheidend aufgrund der Gesellschafterstellung, sondern aufgrund der Tätigkeit im Arbeitsverhältnis erteilt wurde. Eine Eintrittspflicht durch den Pensionssicherungsverein scheidet jedoch nach allgemeinen Regeln dann aus, wenn die Parteien des Versorgungsverhältnisses mit dem alleinigen oder überwiegenden Zweck gehandelt haben, ihn in Anspruch zu nehmen.

 

Rz. 4

Gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG wird die Höhe der Betriebsrentenanwartschaft, für die der Pensionssicherungsverein bei Insolvenz des Arbeitgebers einzustehen hat, nach § 2 Abs. 1 BetrAVG bestimmt. Es kommt deshalb die gleiche Regelung zur Anwendung, die gilt, wenn festzustellen ist, wie hoch die gesetzlich unverfallbare Anwartschaft eines vor Eintritt des Versorgungsfalles aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist. Insolvenzgeschützt ist daher der Anspruch, der dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalls zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur üblichen, "festen" Altersgrenze entspricht (zeitratierliche Berechnung). Das kann dazu führen, dass Arbeitnehmer, die in jüngerem Alter ein Arbeitsverhältnis begonnen haben, bei gleicher Betriebszugehörigkeit eine geringere geschützte Versorgungsanwartschaft haben als solche, die es mit höherem Alter begonnen haben. Dieser Effekt kann z.B. eintreten, wenn die Versorgungsordnung eine dienstzeitabhängige Berechnung der Betriebsrente mit einer Höchstbegrenzung vorsieht. Die Klage eines Arbeitnehmers, der vom Pensionssicherungsverein den Eintritt für eine höhere als die zeitratierlich berechnete Anwartschaft verlangt hat, war daher vor dem BAG ebenso wenig erfolgreich wie in den Vorinstanzen.[5]

 

Rz. 5

Das BVerfG hat diese Rechtsprechung bestätigt:[6] Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom BAG vertretbar angenommene mittelbare Altersdiskriminierung durch eine zeitratierliche Berechnung nach § 7 Abs. 2 S. 3, 4 BetrAVG i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG mit den europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. b lit. i RL 2000/7...

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