Rz. 32

Regelungen bei denen die Inhalte eines Accounts mit dem Tod allenfalls gelöscht werden können, ohne dass sie herausgegeben werden, verstoßen gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.[68] Wesentliche Rechte und Pflichten des Vertrags sind verletzt, wenn z.B. auf einer Cloud gespeicherte Inhalte des Erblassers wie fotografierte Bilder oder auch E-Mails nicht mit dem Ende der Vertragsbeziehung herausgegeben werden. Denn ein solcher Cloud-Vertrag ist gerade gekennzeichnet durch die Hauptpflicht, die Dateien zu "verwahren" und schließlich zurückzugeben.[69] Die Rechte aus Art. 14 GG wären betroffen, da Daten unwiederbringlich verloren wären und die Ermittlung des digitalen Nachlasses für die Erben nicht möglich wäre.[70]

 

Rz. 33

Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses aufgrund des Todes des Nutzers mag – auch in AGB – etwa durch Sonderkündigungsrechte regelbar sein.[71] Die Vertragsbeendigung führt aber nicht zu einem ersatzlosen Erlöschen des Vertragsverhältnisses,[72] sondern zu einem Rückabwicklungsschuldverhältnis mit den Erben, i.R.d. bspw. Bilder oder Inhalte eines E-Mail-Accounts an die Erben herauszugeben sind.[73] Insoweit ist § 1922 BGB sehr wohl Leitbild, als das Vertragsverhältnis[74] – so nicht nur ein lebzeitiges Nutzungsrecht eingeräumt wurde (siehe hierzu oben Rdn 22) – im Sinne eines Kontinuitätsgedankens und aus Gründen der Rechtssicherheit auf die Erben übergeht.[75] Soll das Vertragsverhältnis nach den AGB der Anbieter nicht mit den Erben fortgesetzt werden, so ist es dennoch mit den Erben rückabzuwickeln. Die Daten dürfen keinesfalls eigenmächtig beim Anbieter oder von diesem gelöscht werden. Ersterenfalls können die Erben Herausgabe verlangen. Letzteres löst Schadensersatzansprüche aus.[76]

 

Rz. 34

Der Erbe dürfte aber keinen Anspruch darauf haben, die Accounts oder sonstige Vertragsverhältnisse des Erblassers – trotz wirksam vereinbarten Sonderkündigungsrechts – in jedem Fall weiterzuführen. Das würde zwar die Abwicklung vereinfachen. Erhält der Erbe aber die Inhalte, z.B. auch E-Mails, heraus, so hat er alle Daten, um mit den Kommunikationspartnern von einem eigenen (anderen) Account aus weiter in Verbindung zu treten und sich diesen gegenüber als Rechtsnachfolger zu erkennen zu geben und zu legitimieren. Neue E-Mails können zwar nach Schließung des Accounts nicht mehr zugestellt werden. Dies kann aber auch lebzeitig passieren, wenn der Nutzer selbst den Account aufgibt. Es ist auch kein rein digitales Problem, sondern stellt sich ebenso bei der Zustellung von Briefen, nachdem die Wohnung des Erblassers aufgegeben wurde.

[68] Raude, RNotZ 2017, 17, 23; Willems, ZfWPW 2016, 494, 506; Herzog, NJW 2013, 3745, 3751; NK-NachfolgeR/Herzog, Kap. 9 Rn 92; Pruns, NJW 2014, 2175, 2185; Brisch/Müller-ter Jung, CR 2013, 446, 448; Kutscher, S. 126; Gloser, MittBayNot 2016, 12, 19; Alexander, K&R 2016, 301.
[69] So auch Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Neustart" v. 15.5.2017, S. 359.
[70] So auch Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Neustart" v. 15.5.2017, S. 359.
[71] So auch Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Neustart" v. 15.5.2017, S. 354.
[72] Entgegen der Ansicht von Leeb, K&R 2014, 693, 694 f. stellt der Tod nicht per se eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) für das Vertragsverhältnis dar.
[73] Redeker, in: DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013 S. 64; Kutscher, S. 123 f. In diesem Sinne verfährt Microsoft Hotmail, indem sie eine Daten-DVD an die Erben senden.
[74] Skeptisch Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125, 128.
[75] Pruns, AnwZErt ErbR 16/2016 Anm. 2; a.A. Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 125 128 ff.; Thiesen, S. 61.
[76] So zu Recht Kutscher, S. 126 mit Verweis auf OLG Dresden, Beschl. v. 5.9.2012 – 4 W 961/12, NJW-RR 2013, 27.

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