Rz. 24

Organisationspflichtverletzungen[115] im Haftpflichtprozess nehmen immer mehr an Bedeutung zu: Die Haftung des Krankenhauses/Krankenhausträgers tritt in den Vordergrund. Der Krankenhausträger haftet entweder für Versäumnisse des behandelnden Arztes oder aber für eigene Versäumnisse. Im letzteren Fall spricht man von einer Haftung für Organisationsverschulden. Eine Verletzung von Organisationspflichten des Krankenhausträgers führt also zu einer Haftung aus Organisationsverschulden.

[115] BGHZ 106, 145 f.; MüKo/Wagner, § 823 Rn 746; zur Hygiene: BGH NJW 1991, 1948; von Fremdbluttransfusionen und Erregersicherheit, BGH NJW 1991, 1541; der Keimübertragung durch Operationsteam, BGH NJW 1982, 699; zur Verwendung einer unsterilen Infusionsflüssigkeit, OLG Oldenburg VersR 1991, 1378; zur Isolierung von Hepatitis B-Kranken, weitere Nachweise bei Geiß/Greiner, B Rn 30; Martis/Winkhart, A 370 ff., B 130 ff.; des apparativen Soll-Standards, OLG Oldenburg VersR 1991, 820; betreffend ein Bestrahlungsgerät, OLG Frankfurt VersR 1991, 185; Standards der Medikamentenvorhaltung, OLG Köln VersR 1991, 186; OLG Bremen GesR 2007, 18; OLG Hamm v. 19.3.2018 – I-3 U 63/15.

(1) Organisationspflichten des Krankenhausträgers allgemein

 

Rz. 25

Krankenhäuser sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht Dienstleistungsbetriebe im Bereich von Diagnostik, Therapie, Pflege, Betreuung, Unterbringung und Versorgung von Patienten. Die lege artis durchgeführte Versorgung des Patienten im Krankenhaus wird durch ein Zusammenwirken von ärztlichem, pflegerischem und medizinisch-technischem Personal gewährleistet. Der reibungslose Ablauf dieses Zusammenwirkens stellt höchste Anforderungen an die Organisation und Arbeitsteilung. Es bedarf einer sämtliche Arbeitsvorgänge begleitenden angemessenen Organisation. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an den Krankenhausträger und nimmt keinerlei Rücksicht z.B. auf personelle und/oder sachliche Engpässe. Kritisch für jeden Einzelfall prüft die Rechtsprechung, was der Patient im konkreten Fall an medizinischem Standard erwarten durfte. Allerdings erkennt die Rechtsprechung dabei unterschiedliche Standards für die personellen, räumlichen und apparativen Behandlungsbedingungen der einzelnen Krankenhäuser (Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung, Universitätskliniken) an. Je größer die Zahl der an der Diagnose und Therapie beteiligten Ärzte, Techniker und Hilfskräfte, je komplizierter das arbeitsteilige Geschehen im Krankenhaus, desto mehr Anforderungen sind an Koordination und Kontrolle gestellt. In allen Dienstleistungsteilbereichen lauern Haftungsgefahren.

(2) Haushalts- oder Wirtschaftsplanung

 

Rz. 26

Der Krankenhausträger hat für die räumliche, personelle und sachliche Ausstattung der Klinik zu sorgen. Die Ausstattung muss der spezifischen Aufgabenstellung entsprechend ausfallen. Organisationsstrukturen müssen angemessen sein und effektive Arbeit gewährleisten.[116]

[116] M.w.N.: Bergmann/Kienzle, S. 176 ff.

(3) Personalstruktur

 

Rz. 27

Der Krankenhausträger ist verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die von ihm aufgestellten Organisationsstrukturen[117] durch entsprechende Instruktionen und Überwachung des von ihm eingesetzten ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals tatsächlich umgesetzt werden.[118] Setzt ein Krankenhausträger z.B. übermüdete Ärzte bei der Behandlung ein, dann trägt er im Schadensfall die Beweislast dafür, dass die bei dem Patienten eingetretene Gesundheitsschädigung nicht auf die Übermüdung des eingesetzten Arztes zurückzuführen ist.[119] Fachärzte, die sich über Jahre bewährt haben, sind nach herrschender Rechtsprechung nur insoweit zu überwachen, wie sich bei der weiteren Entwicklung Anhaltspunkte dafür bieten, dass deren Qualität gesunken ist.[120] In einem Belegkrankenhaus ist der Krankenhausträger dafür verantwortlich, dass im pflegerischen Bereich alle organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, um die ärztliche Versorgung in den einzelnen Belegabteilungen sicherzustellen. Das Belegkrankenhaus muss im Rahmen seiner Organisationspflicht auch gegen eine Handhabung einschreiten, durch welche der Belegarzt dem Pflegepersonal des Belegkrankenhauses Aufgaben überlässt, die die pflegerische Kompetenz übersteigen.

[117] Zur personellen Unterversorgung im Krankenhaus, vgl.: BGH NJW 1983, 1374, insb. nicht in BGHZ 85, 393 (je Parallelnarkose – Unterversorgung mit Anästhesisten); BGHZ 88, 248, 254 (je Lymphknotenexstirpation durch Anfänger); BGH NJW 1992, 1560 (Anfängeroperation ohne Facharztassistenz); BGH NJW 1993, 2989 (Anfängernarkose mit Facharzt im angrenzenden OP-Saal); OLG Düsseldorf VersR 1993, 51 (Epilepsie-Patient – Grand mal-Anfall auf WC); OLG Stuttgart NJW 1993, 2384 (Einstellen des Wehentropfs durch Pflegedienst); BGH NJW 1994, 1596 (Entbindungsteam bei Zwillingsgeburt); BGH NJW 1994, 3008 (je Geburtsleitung durch Anfänger – Rufbereitschaft); OLG Oldenburg VersR 1995, 49 – NA-BGH (Dilatation einer Nierenarterie); BGH NJW 1996, 2429 (Nachtschicht durch inkompetentes Pflegepersonal).
[118] Deutsch, NJW 2000, 1745; Martis/Winkhart, B 130 ff.
[119] BGH MDR 1998, 535; Deut...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge