(1) Person des Aufklärers (Aufklärungspflichtiger)

 

Rz. 44

Die Aufklärung muss durch einen Arzt durchgeführt werden.[161] Grundsätzlich muss jeder Arzt über den von ihm durchzuführenden Behandlungsschritt selber aufklären und kann sich nicht auf die Aufklärung anderer verlassen.[162] So hat z.B. der Anästhesist ggf. auf die Narkoserisiken hinzuweisen, der Strahlentherapeut auf das Risiko der Bestrahlung usw. Im heutigen arbeitsteiligen Klinikbetrieb ist es allerdings häufig unumgänglich, die Aufklärung auf einen nachgeordneten Arzt zu übertragen. Dies entlastet die Verantwortlichen aber nicht von einer adäquaten Selbstbestimmungsaufklärung. Die Aufklärung kann vom Behandelnden selbst oder von einer Person durchgeführt werden, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Befähigung verfügt (§ 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Der Aufklärende muss gerade auch bei relativen Operationsindikationen über die Details des Eingriffs Bescheid wissen.[163]

[161] Zur Verantwortlichkeit des aufklärenden Arztes: BGH v. 21.10.2014 – VI ZR 14/14, GesR 2015, 23.
[162] Zur ausnahmsweise angenommenen Zulässigkeit der Delegation von Aufklärungsgesprächen: BGH GesR 2007, 108.

(2) Zeitpunkt der Aufklärung

 

Rz. 45

Die Aufklärung muss zum richtigen Zeitpunkt stattfinden, d.h. rechtzeitig (§ 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB). Der Patient muss die Zeit haben, ohne Zeitdruck das Für und Wider des geplanten Eingriffes abwägen zu können.[164] Bei Patienten, die sich zunächst zu einer ambulanten Untersuchung vorstellen, sollte die Aufklärung über mögliche Risiken bereits mit Vereinbarung des genauen Aufnahme- und Operationstermins erfolgen. Denn durch eine Aufklärung erst bei stationärer Aufnahme besteht die Gefahr, dass der Patient schon psychische Barrieren aufgebaut hat, die es ihm zwar theoretisch, nicht aber de facto möglich machen, noch am Vortag von dem Eingriff selbst Abstand zu nehmen. Steht fest, dass der Eingriff in jedem Fall durchgeführt werden soll, dann hat auch gleichzeitig die Aufklärung zu erfolgen.[165] Anderes gilt, wenn erst eine stationäre Aufnahme zur weiteren Abklärung der Operationsindikation erfolgen muss. Entsprechende Risikoerklärung kann erst dann erfolgen, wenn die Indikation zum Eingriff selbst gestellt ist.

Einer Aufklärung am Vorabend einer Operation steht die Rechtsprechung grundsätzlich sehr zurückhaltend gegenüber. Regelmäßig wird der Patient bei einer so späten Aufklärung, gerade über für ihn gravierende Risiken, mit einer Entscheidung überfordert sein. Eine solche Aufklärung reicht grundsätzlich nur bei vitaler Indikation, d.h. bei absoluter Dringlichkeit des durchzuführenden Eingriffs.[166] Die Aufklärung über ganz allgemeine, fast schon für den medizinischen Laien bekannte Risiken, wie allgemeine Narkoserisiken, dürfte allerdings am Vorabend der Operation noch ausreichend sein.[167]

[165] OLG Koblenz v. 9.4.2009 – 5 U 621/08, VersR 2010, 770, 772, Pauge, S. 185 f.; vgl. auch OLG Hamm v. 1.12.2015 – 26 U 30/15, JurionRS 2015, 32746.
[166] BGH MDR 1992, 748; BGH MDR 1998, 716; OLG Saarbrücken OLGR 2000, 401 f.; OLG Frankfurt GesR 2006, 127; OLG Brandenburg, GesR 2010, 610, 611. Anders das OLG Dresden, welches eine Aufklärung am Nachmittag vor dem Operationstag als ausreichend angesehen hat, OLG Dresden v. 21.8.2020 – 4 U 1349/18.
[167] Vgl. dazu ausführlicher: Müller, MedR 2001, 487 f.

(3) Form und Inhalt des Aufklärungsgesprächs

 

Rz. 46

Jede Aufklärung muss grundsätzlich in "leicht verständlicher Umgangssprache“ in einem mündlichen Aufklärungsgespräch erfolgen und alle wichtigen Aspekte beinhalten.[168] Aufgrund eines solchen mündlichen Aufklärungsgesprächs sollte dann eine schriftliche Einverständniserklärung unterzeichnet werden."

Ein Merkblatt kann und darf ein persönliches Gespräch nicht ersetzen. Der Arzt muss sich vergewissern, dass der Patient das Merkblatt gelesen und auch verstanden hat. Eine formularmäßige Freizeichnung reicht nicht. Risikoverharmlosungen in Merkblättern müssen korrigiert werden, dies kann ggf. handschriftlich am Rand gekennzeichnet werden. Nur ergänzend darf auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält.[169]

[168] Zur Aufklärung bei Sprachbarrieren wegen unterschiedlicher Nationalität, KG Berlin GesR 2009, 81; 2004, 409.
[169] § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB; zu den Beweislasten bei Aufklärungsmangel: Aufklärungsformular vs. persönliches Arzt-Patienten-Gespräch: OLG Hamm v. 9.11.2015 – I-3 U 68/15, GesR 2016, 220.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge