Leitsatz (amtlich)

Welcher Zeitraum zwischen Aufklärung und Durchführung der Operation liegen muss, hängt von der Dringlichkeit des Eingriffs ab.

Eine Notoperation, in die der Patient wenige Stunden vor dem Eingriff rechtswirksam einwilligen kann, ist nicht nur dann gegeben, wenn die Verschiebung des Eingriffs auf den nachfolgenden Tag mit großer Wahrscheinlichkeit zum Tod des Patienten führt, vielmehr genügt, dass bei einer Verzögerung der Operation gewichtige, unter Umständen sogar lebensbedrohliche Komplikationen (hier: akute Gallenblasenentzündung mit der Gefahr einer Gallenblasenperforation) zu befürchten sind.

 

Normenkette

BGB § 823; BGB a.F. § 847

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen 9 O 12648/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 25.1.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen behaupteter ärztlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit der endoskopischen Entfernung der Gallenblase (laparoskopische Cholecystektomie).

Am Abend des 22.4.2001 wurde die Klägerin wegen heftiger Schmerzen im rechten Oberbauch mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus M. B., dessen Trägerin die Beklagte zu 1) ist, eingeliefert. Anhand der Laborwerte, einer Sonographie des Abdomens und einer Röntgenaufnahme des Thorax wurde eine Gallenblasenkolik als wahrscheinlichste Ursache der Beschwerden diagnostiziert. Nachdem die Beschwerden abgeklungen waren, verließ die Klägerin am 23.4.2001 gegen ärztlichen Rat das Krankenhaus.

In der Nacht vom 25. auf den 26.4.2001 traten bei der Klägerin erneut starke Bauchschmerzen auf, weshalb sie sich gegen Mitternacht zu einem ärztlichen Notdienst begab, der sie wiederum mit einem Rettungswagen in das Krankenhaus M. B. verbrachte. In der dortigen internistischen Nothilfestation erhielt sie bis 5.45 h morgens zwei 500 ml Infusionen Thomaejonin und Unilyt, dazu gegen 2.00 Uhr je eine Ampulle der Schmerzmittel Buscopan und Dolantin sowie gegen 3.15 Uhr eine weitere Ampulle Buscopan. Eine in der Nacht erstellte Sonographie des Abdomens ergab folgenden Befund:

Cholecystolithiasis, die Gb-Wand grenzwertig verdickt, keine 3-Schichtung, keine freie Flüssigkeit um die Gb, auch nicht im restlichen Abdomen. Im duct. choledochus 1 Konkrement mit erweitertem Lumen auf 1,7 cm. Pankreas soweit einsehbar homogen. Bde Nieren ohne Stauungsnachweis.

Eine weitere Sonographie des Abdomens gegen 10 h morgens ergab folgendes Ergebnis:

Gallenblase: Gallenblase gut beurteilbar, mehrere Konkremente, mit einem Durchmesser von bis zu 13 mm, mittlere Menge Sludge, Wand verdickt mit 5 mm, lokaler Druckschmerz über der Gallenblase.

Bild einer akuten Cholecystitis, mehrere Konkremente im Infundibulum der wandverdickten und druckdolenten GB.

Gallenwege: Gallenwege gut beurteilbar, extra- und intrahepathitische Gallenwege nicht erweitert.

Der am Morgen des 26.4.2001 von der internistischen Abteilung hinzugezogene Arzt der Chirurgischen Abteilung Dr. R. stellte aufgrund der Untersuchung der Klägerin und der erhobenen Befunde die Diagnose einer akuten Gallenblasenentzündung (Cholecystitis) und bejahte die Indikation zur sofortigen Entfernung der Gallenblase. Um die Mittagszeit erhielt die Klägerin vom Arzt im Praktikum Dr. H. ein Aufklärungs- und Einwilligungsformular, das sie unterzeichnete. Als mögliche Risiken der vorgesehenen laparoskopischen Entfernung der Gallenblase vermerkte Dr. H. auf dem Formular handschriftlich u.a. "Thrombose, Embolie, Verletzung von Gefäßen, Nerven, Muskeln, Leber, Darm, Pankreas oder Magen mit der Folge von Blutung, Gefühlsstörung, Teilentfernung, (...), Wundinfekt, Nachblutung".

Die Operation begann zwischen 13.30h und 14.30h. Der Beklagte zu 2) führte die laparoskopische Cholecystektomie durch, bei der es zu einer Perforation des Dünndarms kam, was jedoch während der Operation nicht bemerkt wurde.

Nachdem bildgebende Untersuchungen am 30.4.2001 auf eine Flüssigkeitsansammlung im Abdomen hinwiesen, wurde die Klägerin am Abend des 30.4.2001 nochmals operiert. Die Perforationsstelle am Dünndarm wurde ausfindig gemacht und durch eine Naht chirurgisch versorgt. Außerdem wurde eine ausgiebige Lavage des Bauchraumes vorgenommen.

In der Folgezeit erlitt die Klägerin eine Peritonitis mit einem septischen Krankheitsbild. Sie musste intensivmedizinisch behandelt werden und sich mehreren Revisionsoperationen unterziehen. Im Anschluss an den bis 14.6.2001 dauernden stationären Aufenthalt im Krankenhaus M. B. war eine mehrwöchige Anschlussheilbehandlung in einer Klinik in Berchtesgaden erforderlich.

Die Klägerin hat in erster Instanz...

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