Rz. 156

Die Schadensbezifferung erfolgt anhand der Betriebsergebnisse der Vorjahre. Der Schaden ermittelt sich aus der Differenz zwischen dem hypothetischen Gewinn, den der Unternehmer ohne den Unfall erzielt hätte und demjenigen, der nach dem Unfall tatsächlich erzielt worden ist. Maßgeblicher Vergleichszeitraum vor dem Unfall sind die letzten 3–5 Jahre (BGH NJW 1999, 136). Bei der Schadensermittlung ist zu berücksichtigen, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalerträge nicht zu berücksichtigen sind, weil sie von der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität nicht berührt werden (Pardey, Rn 2350). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch die Kosten vom hypothetischen Umsatz des Selbstständigen während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit abzusetzen sind. Da es sich zumeist um Fixkosten handelt, nähert sich der Schaden des Selbstständigen zumeist dem Umsatzausfall.

 

Rz. 157

Im Hinblick auf den Zukunftsschaden ist eine Erwerbsprognose erforderlich. Spätestens an dieser Stelle ist eine streitige Auseinandersetzung mit dem Versicherer vorprogrammiert. Zwar kommen dem Geschädigten an dieser Stelle wieder die Darlegungs- und Beweiserleichterungen der §§ 252 BGB, 287 ZPO zugute, jedoch sind wieder Anknüpfungstatsachen darzulegen. Schwierigkeiten ergeben sich bei jungen Unternehmen, insbesondere wenn zum Unfallzeitpunkt die Gründungsphase noch nicht oder erst soeben abgeschlossen worden ist und eine Berechnung des entgangenen Gewinns durch Vergleich von Betriebsergebnissen vor und nach dem Unfall noch nicht möglich ist. Gerade in dieser Phase ist der Erfolg eines Unternehmens ganz maßgeblich von der Persönlichkeit des Inhabers beeinflusst. Auch konjunkturelle Entwicklungen spielen bei der Bewertung des Umsatzrückgangs eine Rolle.

 

Rz. 158

Bei der Schadensbezifferung ist auch immer die Einkommenstendenz zu sehen. Diese kann einerseits nach oben, aber andererseits auch nach unten zeigen. Fehlen Anhaltspunkte in die eine oder in die andere Richtung, dann kann auf den durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten mit seinem Unternehmen abgestellt werden (BGH NJW 1998, 1634). Gleichwohl muss auch bei der Ermittlung eines durchschnittlichen Erfolges der individuelle wirtschaftliche Erfolg in der Zukunft – der Trend – ermittelt werden. Pardey (Rn 2374) zeigt verschiedene Berechnungsvorschläge zur Gewinnprognose auf.

 

Rz. 159

In der Regulierungspraxis zeigt sich jedoch, dass der Geschädigtenvertreter eine andere Auffassung von der Erwerbsprognose hat, als der Versicherer. Entsprechend unterschiedlich fällt die Bezifferung dieser Schadensersatzposition aus. Es ist an dieser Stelle ratsam, wenn sich der Anwalt mindestens der Hilfe des Steuerberaters seines Mandanten zur Ermittlung des Erwerbsschadens bedient. Dies fußt nicht zuletzt auf der Erkenntnis, dass der Anwalt häufig die notwendigen Wirtschaftsdaten nicht selbst fehlerfrei ermitteln kann. Schließlich ist es auch eine Frage des Haftpflichtversicherungsschutzes, ob der Anwalt wirklich die Tätigkeit eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers an dieser Stelle übernehmen kann. Sollte sich herausstellen, dass auch der eigene Steuerberater des geschädigten Mandanten nicht in der Lage ist, den verletzungsbedingt entgangenen Gewinn zu ermitteln, dann sollte der Mandant auf die Möglichkeit hingewiesen werden, einen Sachverständigen zur Ermittlung seines fiktiven Gewinns einzuschalten. Die damit im Zusammenhang stehenden Kosten sind vom Schädiger zu erstatten. In diesem Zusammenhang soll auf die Entscheidung des BGH vom 20.10.2009 (DAR 2010, 82) hingewiesen werden. Danach ist es grundsätzlich möglich, im Wege des selbstständigen Beweisverfahrens ein Sachverständigengutachten zum entgangenen Gewinn des Selbstständigen einzuholen. Ausreichend, aber auch erforderlich, ist der Vortrag von Anknüpfungstatsachen.

 

Rz. 160

Es ist häufig ratsam, einen Sachverständigen zur Schadensermittlung einzusetzen, wenn der Geschädigte sein Unternehmen noch in der Gründungsphase führt und betriebswirtschaftliche Daten aus der Vergangenheit mindestens für einen Vergleichszeitraum von drei Jahren überhaupt nicht vorliegen. Oftmals wird ein Sachverständiger Vergleichszahlen aufgrund statistischer Branchenerhebungen als Ausgangsbasis nutzen. Schließlich ist auch nur dieser in der Lage, aufgrund der Einkommensteuerbescheide aus der Zeit vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Informationen für den geplanten Unternehmenserfolg abzuleiten. Sollte der Sachverständige wider Erwarten zu dem Ergebnis gelangen, dass der Geschädigte auch ohne den Unfall seinen Betrieb nicht in die Gewinnzone geführt hätte, dann führt dies jedenfalls im Ergebnis nicht zum Wegfall des Erwerbsschadens. Fiktiv ist dann auf die Einkünfte des Geschädigten aus vergleichbarer abhängiger Beschäftigung abzustellen (BGH VersR 1957, 750).

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