Rz. 18

Teilt man den Ausgangspunkt, dass Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung tariflich regelbarer Ziele zulässig sind, so folgt daraus, dass Forderungen zur Durchsetzung von individuellen Rechtsansprüchen bzw. Rechtspositionen, wie z.B. die Rücknahme einer Kündigung, Wiedereinstellungen oder die Rücknahme eines Antrages nach § 103 BetrVG, nicht erstreikt werden können. Deswegen sind die staatlichen Gerichte anzurufen (BAG v. 21.10.1969, AP Nr. 41 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG v. 14.2.1978, DB 1978, 1403; BAG v. 7.6.1988, DB 1988, 2102; Kissel, Arbeitskampfrecht, § 24 Rn 73 ff.). Die Begründung hierzu verweist auf das Gewaltmonopol des Staates, das den Vorrang vor der Tarifautonomie habe. Hiervon ist allerdings der Fall auszunehmen, dass ein Arbeitgeber sich bewusst tarifwidrig verhält und tarifliche Ansprüche nicht erfüllt. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Durchsetzung tariflich geregelter Ansprüche im Wege eines Streiks eine von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Form der Selbsthilfe ist (Kempen-Stein, § 4 Rn 220; Ramm, BB 1961, 1168). Bei einer bewussten Nichtanwendung eines bestehenden Tarifvertrages kann sich der Arbeitgeber nicht auf den Schutz der Friedenspflicht berufen. Deswegen liegt der Gedanke nahe, dass es sich bei einem Streik zur Durchsetzung des Tarifvertrages um nichts anderes handelt als um die Fortsetzung der ursprünglichen Tarifauseinandersetzung (Kempen/Zachert-Stein, § 4 Rn 220).

 

Rz. 19

Darüber hinaus können die Arbeitnehmer zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche auch ein Zurückbehaltungsrecht einsetzen. Wenn die Voraussetzungen des § 273 BGB vorliegen, kann die Arbeitsleistung ohne Verlust des Entgeltanspruches zurückgehalten werden, wenn ein fälliger Anspruch gegen den Arbeitgeber besteht. Andererseits darf der Arbeitnehmer wegen rückständigen Arbeitsentgelts die Arbeitsleistung nicht verweigern, wenn es sich nur um einen geringfügigen Zahlungsanspruch handelt, wenn nur eine kurzfristige Verzögerung der Zahlung des Arbeitsentgeltes zu erwarten ist, wenn dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig hoher Schaden droht, sollte die Arbeitsverweigerung durchgeführt werden, oder wenn das rückständige Arbeitsentgelt auf andere Weise gesichert ist (BAG v. 25.10.1984 – 2 AZR 417/83, DB 1985, 763). Eine Kündigung ist bei berechtigter Arbeitsverweigerung unwirksam (BAG v. 9.5.1996 – 2 AZR 387/95, NZA 1996, 1085).

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