Rz. 115

Für die Anordnung der MPU bedarf es konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte. Demgegenüber sind Untersuchungen "ins Blaue hinein" ausgeschlossen. Bloße Vermutungen oder anonyme Hinweise rechtfertigen ebenso wenig eine Begutachtung.[61] Auch der "Verdacht eines Verdachts" ist kein hinreichender Anlass für die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.

 

Rz. 116

Ob dabei die Tatsachen, an die der Verdacht anknüpft, der Betroffene könne Alkohol und Fahren nicht trennen, mit dem Straßenverkehr in einem Zusammenhang oder wenigstens in einem mittelbaren Zusammenhang stehen müssen, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen. Jedenfalls verlangt die Alkoholisierung ohne unmittelbare Verkehrsteilnahme eine besondere Betrachtung und Würdigung des Einzelfalls. Hier können Fallgruppen[62] eine gewisse Orientierung bieten:

 
Berufskraftfahrer/Taxifahrer: MPU (Konfliktlage: Alkohol und Beruf)
behaupteter Nachtrunk bis auf 2,16 ‰: MPU
Ehestreit/Randale mit hoher BAK: keine MPU
 

Rz. 117

Bei der Wertung im Einzelfall, ob eine aktenkundige Alkoholisierung ohne Verkehrsbezug ausreicht, den Verdacht auf Alkoholmissbrauch zu begründen, kann das Vorliegen einer früheren Trunkenheitsfahrt eine ausschlaggebende Rolle besitzen.

 

Rz. 118

 

Beispiel: Die alkoholisierte Mutter

Eine Frau war in der Vergangenheit wegen Trunkenheit im Verkehr zur Verantwortung gezogen worden. Einige Jahre später fiel sie dadurch auf, dass sie erheblich alkoholisiert ihr vierjähriges Kind nachts in einem Lokal nicht mehr beaufsichtigen konnte.

Der VGH BW hat die behördliche Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung gebilligt.[63]

Die Zusammenschau der früheren Alkoholauffälligkeit und der späteren erheblichen Alkoholisierung mit sozial verantwortungslosem Verhalten lasse befürchten, dass die Betroffene ihrer Pflicht, bei der Verkehrsteilnahme auf eine strikte Trennung vom Alkoholkonsum zu achten, nicht nachkommen werde.

[61] OVG Saarland, Beschl. v. 18.9.2000 – 9 W 5/00 = zfs 2001, 92.
[62] Eine Übersicht findet sich bei Zwerger, in: Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat, § 6 Rn 35 ff.
[63] VGH BW, Beschl. v. 22.1.2001 – 10 S 2032/00 – juris; zustimmend Geiger, DAR 2003,347; ablehnend: Himmelreich, DAR 2002, 60; kritisch auch Zwerger, in: Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 3, § 6 Rn 37: "an der Grenze eines noch mittelbaren Bezugs zur Verkehrsteilnahme".

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