Rz. 19

Trotz der Grundregel der grundsätzlichen Inanspruchnahme des Störers kann sich im Einzelfall die Frage stellen, ob ein Störer überhaupt in Anspruch genommen werden soll.[32] Sie stellt sich immer dann, wenn das Abschleppen des Fahrzeugs zwar aufgrund des Vorliegens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit geboten ist, der Grund für das Abschleppen aber nicht in der Risikosphäre des "Störers" liegt.

 

Rz. 20

Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass auch dann, wenn die einschlägige Rechtsvorschrift formuliert, dass für die Ausführung der Ersatzvornahme Kosten erhoben werden (§ 46 Abs. 1 S. 2 SPolG) und wenn damit in typischen Sachverhalten die Kosten vom Störer zu erheben sind, dennoch – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – die Entscheidung, ob der Störer zum Kostenersatz herangezogen wird, grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht.[33]

 

Rz. 21

Gerechtfertigt wird dies damit, dass Härten vermieden werden sollen, die sich aus der strengen Zustandshaftung ergeben können. Die polizeiliche Verantwortung für den Zustand einer Sache entfällt nämlich nach h.M. grundsätzlich selbst dann nicht, wenn die Gefahr durch außergewöhnliche Ereignisse verursacht worden ist, die in der Risikosphäre der Allgemeinheit wurzeln oder gänzlich unvorhersehbar sind. Solchen Unbilligkeiten lassen sich hier im Rahmen der Kostenentscheidung begegnen. An der Rechtmäßigkeit der zuvor zur wirksamen Gefahrenabwehr getroffenen behördlichen Maßnahme ändert dies nichts. Ein derartiger Fall wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn von einem Fahrzeug, das ohne Verstoß gegen straßen- und straßenverkehrsrechtliche Vorschriften geparkt worden ist, eine Störung ausgeht, die nicht vorhersehbar war und nicht in der Risikosphäre des Halters/Fahrers liegt.[34] Um einen solchen Fall kann es sich bei einer "Wanderbaustelle" handeln, deren Errichtung für den betroffenen Kraftfahrer nicht erkennbar war und mit der er auch nicht rechnen musste.[35]

 

Rz. 22

Eine Anwendungskorrektur von der Regel, wonach der polizeirechtlich Verantwortliche grundsätzlich zur Kostenerstattung heranzuziehen ist, kann auch in dem Fall notwendig sein, in dem ein Verkehrsteilnehmer sein Kfz ordnungsgemäß geparkt hat und eine nachträglich eingerichtete Haltverbotszone weder gekannt hatte noch mit ihr hatte rechnen müssen ("mobiles Haltverbotszeichen").[36] Selbst wenn er dann auf der Primärebene die Vollstreckung des nachträglich wirksam gewordenen Wegfahrgebots zu dulden hat, kann – zu seinen Gunsten – aber auf der Sekundärebene der Kostentragung zu berücksichtigen sein, dass sein Vertrauen auf den Fortbestand der Situation des erlaubten Parkens in gewissem Umfang Schutz verdient.[37]

[32] HessVGH zfs 1995, 119 – Ls.
[33] VGH BW NJW 1991, 1698; DVBl 1991, 1370; OVG Saarland, Beschl. v. 16.6.1999 – 9 Q 166/98, SKZ 1999, 284 – Ls.; VG Saarland zfs 1993, 215; 2000, 88.
[34] VGH BW DVBl. 1991, 1370; VG Saarland zfs 1993, 215; 2000, 88; OVG Saarland, Beschl. v. 16.6.1999 – 9 Q 166/98, SKZ 1999, 284 – Ls.
[35] VGH BW NJW 1991, 1698; "mobiles Haltverbotszeichen", HambOVG zfs 2009, 533, 536 f. Zu den mobilen Verkehrszeichen siehe § 38 Rdn 17 ff.
[36] HambOVG zfs 2009, 533, 536 f.
[37] HambOVG zfs 2009, 533, 536 f.

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