I. Regelentzug

 

Rz. 3

Ist der Fremdschaden "bedeutend", liegt ein Fall des Regelentzuges vor (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB).

 

Rz. 4

 

Tipp: Zum Ausnahmecharakter in der Tat oder der Person

Allerdings stellt auch dieses Kriterium nur ein Indiz für die Ungeeignetheit dar. Selbst im Falle einer Unfallflucht ist deshalb ein Entzug nicht gerechtfertigt, wenn die Tat deutlich aus dem Rahmen einer typischen Begehungsweise fällt (LG Gera StraFo 2000, 356; LG Zweibrücken zfs 2003, 260), z.B. wenn sich der Täter 40 Minuten nach der Tat bei der Polizei gemeldet hat (LG Aurich zfs 2013, 112); wie umgekehrt auch bei nichtbedeutendem Schaden die Fahrerlaubnisentziehung zulässig sein soll, wenn die Gesamtwürdigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Täters auf Ungeeignetheit schließen lassen (LG Berlin DAR 2010, 533).[1]

[1] Himmelreich u.a., DAR 2014, 46.

II. Bedeutender Schaden

 

Rz. 5

Während bis vor einigen Jahren die überwiegende Rechtsprechung die Grenze für den bedeutenden Schaden bei Beträgen von unter 1.300 EUR sah (z.B. 1.000 EUR, OLG Köln zfs 2002, 305; LG Berlin zfs 2002, 548 oder 1200–1.250 EUR, LG Zweibrücken zfs 2003, 208; LG Hamburg DAR 2005, 168), ist diese Grenze jetzt nicht zuletzt mit Blick auf die zwischenzeitlich eingetretene Teuerung angehoben worden so z.B. auf 1.300 EUR (LG Hannover VR Aktuell 2016, 29; LG Krefeld VRR 2016, Nr. 5, 2), 1.500 EUR (LG Braunschweig zfs 2016, 391; LG Dresden DAR 2019, 527), 1.600 EUR (OLG Stuttgart VRR 2018, Nr. 8, 11) oder 2.500 EUR (LG Landshut DAR 2013, 588; LG Nürnberg-Fürth VA 2019, 53).

III. Maßgebliche Schadenspositionen

 

Rz. 6

Während früher sämtliche Schadenspositionen miteinbezogen wurden (z.B. OLG Stuttgart VRS 62, 123) besteht heute Einigkeit darüber, dass – zumal der Schaden hier objektiv zu bestimmen ist und nicht von den vom Geschädigten getroffenen jeweiligen Dispositionen abhängen kann – nur die unmittelbaren Schäden maßgeblich sind, also neben dem Fahrzeugschaden und der eventuellen Wertminderung (OLG Dresden NZV 2006, 104) keine mittelbaren Schäden wie Nutzungsausfall oder Mietwagen- bzw. Anwaltskosten (LG Hamburg DAR 1994, 127). Maßgeblich sind die nach den Vorgaben des VI. BGH-Senates zu ermittelnden Reparaturkosten bzw. im Totalschadensfall die Wiederbeschaffungskosten, d.h. Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert (BGH DAR 1985, 218; AG Linz DAR 2018, 41), nicht aber der am vom Täter gefahrenen Fahrzeug eingetretene Schaden. Die Reparaturkosten sind im Falle fiktiver Abrechnung bei mehr als drei Jahre alten Fahrzeugen nicht anhand der von einer Markenwerkstatt verlangten Preise, sondern anhand derer einer im Umfeld des Geschädigten erreichbaren sonstigen zertifizierten Werkstatt zu bestimmen. Im Totalschadensfall kann Berücksichtigung von Restwertangeboten spezieller Restwertaufkäufer den Schaden unter die maßgebliche Grenze drücken.

 

Achtung: Mehrwertsteuer

Da nach der Änderung des § 249 BGB Mehrwertsteuer nur erstattet wird, wenn sie nachweislich angefallen ist, gehört sie jedenfalls bei fiktiver Abrechnung nicht zum Schaden (LG Berlin NZV 2007, 537), wobei die Landgerichte Hannover (VR Aktuell 2016, 39) und Krefeld (VRR 16 Nr. 5, 2) mit Blick auf die gesetzgeberische Entscheidung die Mehrwertsteuer grundsätzlich nicht zum Schaden zählen.

IV. Vorsatz muss sich auf bedeutenden Schaden beziehen

 

Rz. 7

Ein Regelfall liegt nur dann vor, wenn sich der Vorsatz auch auf den "bedeutenden" Schaden bezieht, so dass bei objektiv in dieser Höhe nicht erkennbarem Schaden ein Regelfall nicht vorliegt (LG Stuttgart NZV 1993, 412; KG NZV 2012, 497; LG Heilbronn DAR 2017, 648).

V. "Tätige Reue"

 

Rz. 8

§ 142 StGB kennt – mit Ausnahme der eingangs behandelten leichten Parkschäden – keine "tätige Reue". Unter Umständen kann sie jedoch zur Verneinung eines Regelfalles führen (z.B. AG Homburg zfs 1982, 380, das bei einem Schaden von 10.000 DM und vier Stunden nach dem Unfall erfolgter freiwilliger Meldung einen Regelfall verneint hat), ebenso LG Zweibrücken (NZV 2003, 439; AG Saalfeld zfs 2004, 232).[2]

 

Rz. 9

 

Tipp

Das LG Gera (DAR 2006, 107) verneint in analoger Anwendung des § 142 Abs. 4 StGB sogar in Fluchtfällen mit bedeutendem Sachschaden einen Regelfall, wenn der Unfallfahrer sich innerhalb von 24 Stunden freiwillig meldet.

[2] Zur fehlgeschlagenen tätigen Reue Himmelreich, DAR 2001, 486.

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