Rz. 1386

Handelt der Arbeitgeber, ohne die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates ausreichend und gesetzeskonform zu beachten, so kann dies Auswirkungen auf zwei Ebenen haben:

der Betriebsrat kann den Arbeitgeber zur Einhaltung seiner Betriebsratsrechte zwingen;
die vom Arbeitgeber unter Verletzung des Mitbestimmungsrechtes ausgesprochene Anweisung kann im Verhältnis zum betroffenen Arbeitnehmer unwirksam sein (Einzelheiten s. Rdn 823 ff.).
 

Rz. 1387

Dem Betriebsrat, der gegen tatsächliche oder vermeintliche Verletzungen oder Missachtungen seines Beteiligungsrechtes durch den Arbeitgeber gerichtlich vorgehen will, stehen hierbei im Grundsatz mehrere Möglichkeiten zur Verfügung (im Einzelnen muss die Berechtigung hierzu im Hinblick auf die gesetzlichen Vorschriften und Wertungen überprüft werden). Der Betriebsrat kann je nachdem beim ArbG

auf Erfüllung eines konkreten eigenen Rechtes klagen, z.B. auf Auskunft durch den Arbeitgeber und Herausgabe bestimmter Unterlagen (§ 80 Abs. 2 BetrVG), auf Durchführung der Beratung (§ 111 S. 1 BetrVG, vgl. Fitting, § 111 Rn 168), auf Freistellung zur Schulungsmaßnahme (§ 37 Abs. 6, Abs. 7 BetrVG), nicht aber auf ordnungsgemäße Anhörung nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG;
bestimmte gesetzlich geregelte Anträge zur Aufhebung durchgeführter Arbeitgebermaßnahmen stellen, z.B. auf Aufhebung von Einstellungen und Versetzungen (§ 101 BetrVG), auf Erstattung von Kosten und Sachmitteln (§ 40 BetrVG), auf Herausgabe von Unterlagen (§ 80 Abs. 2 BetrVG), auf Zustimmung zur Einschaltung eines Sachverständigen § 80 Abs. 3 BetrVG;
die gerichtliche Feststellung beantragen, dass ein bestimmtes Vorgehen des Arbeitgebers mitbestimmungswidrig ist bzw. war (konkreter Feststellungsantrag); zulässig ist dieser Antrag nur, wenn die Maßnahme noch nicht abgeschlossen ist oder noch Wirkungen für Gegenwart und Zukunft zwischen den Betriebsparteien – z.B. kann das Mitbestimmungsrecht noch nachträglich ausgeübt werden – hat;
die gerichtliche Feststellung beantragen, dass ein bestimmtes – "solches" – Vorgehen mitbestimmungswidrig ist (sog. "abstrakter Feststellungsantrag");
die Durchführung einer mit ihm abgeschlossenen Vereinbarung (Betriebsvereinbarung, Regelungsabrede oder Spruch der Einigungsstelle) einklagen;
Anzeigen gegen den Arbeitgeber erstatten (§ 119 BetrVG: Antragsdelikt bei Behinderung der Wahl oder der Tätigkeit des Betriebsrates, § 121 BetrVG: Anzeige bei Nichterfüllung von Auskunftspflichten);
auf künftige Unterlassung einer bestimmten Arbeitgebermaßnahme klagen (§ 23 Abs. 3 S. 1, 1. Alt. BetrVG);
auf Duldung einer bestimmten Maßnahme klagen (§ 23 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. BetrVG);
auf Aufhebung einer bestimmten Anordnung oder Maßnahme klagen (§ 23 Abs. 3 S. 1, 3. Alt. BetrVG);
auf Unterlassung, Beseitigung oder Duldung einer konkret bevorstehenden oder noch wirkenden Maßnahme klagen (sog. "allgemeiner Unterlassungsanspruch").
 

Rz. 1388

 

Hinweis

Weil es i.d.R. um Handlungen des Arbeitgebers geht, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgeschlossen und durchgeführt sind (die streitigen Überstunden sind schon geleistet), steht in der Praxis der sog. Unterlassungsanspruch im Vordergrund. Aus diesem Grund wird die Diskussion über die Möglichkeiten zum Vorgehen des Betriebsrates i.d.R. auch unter dem Schlagwort "Unterlassungsanspruch" abgehandelt. Dabei geht es aber in gleicher Weise um Duldung bestimmter Handlungen (etwa Zutritt des Betriebsratsmitgliedes zu bestimmten Arbeitsplätzen) oder um Beseitigung von Arbeitgebermaßnahmen (z.B. technischen Einrichtungen oder Anweisungen an Arbeitnehmer). Letztlich unterscheiden sich diese Anträge nur nach dem Rechtsschutzziel und dem Inhalt der Beeinträchtigung.

 

Rz. 1389

Ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates ist in § 23 Abs. 3 BetrVG gesetzlich geregelt; diese gesetzliche Regelung ist aber unvollständig – der Anspruch greift nur bei groben Verstößen, die Anordnung von Ordnungs- und Zwangsgeld setzt eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung voraus –, sodass der Unterlassungsanspruch (auch der Duldungs- und Beseitigungsanspruch) nach herrschender Meinung auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung als Nebenleistungsanspruch aus dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates abgeleitet wird. Nach den tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen sind zu unterscheiden:

Unterlassungsanspruch des Betriebsrates gem. § 23 Abs. 3 BetrVG bei groben Verstößen des Arbeitgebers;
Unterlassungsanspruch des Betriebsrates im Bereich der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten gem. § 87 BetrVG;
Unterlassungsanspruch des Betriebsrates im Bereich der personellen Angelegenheiten gem. § 99 BetrVG;
Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Betriebsänderungen gem. § 111 BetrVG;
Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei sonstigen Rechtsverletzungen des Arbeitgebers, insb. bei Verstößen gegen gesetzlich vorgesehene Beratungs- und Unterrichtungspflichten.

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