Rz. 1087

§ 98 BetrVG räumt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung (vgl. dazu BAG v. 18.4.2000 – 1 ABR 28/99, juris), der Bestellung der Ausbilder und der Auswahl der an der Berufsbildung teilnehmenden Arbeitnehmer ein. Kommt über die vom Betriebsrat vorgeschlagenen Teilnehmer mit dem Arbeitgeber keine Einigung zustande, so entscheidet nach § 98 Abs. 4 BetrVG die Einigungsstelle. Der Weg zur Einigungsstelle ist allerdings nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat keine eigenen Vorschläge für Teilnehmer gemacht, sondern den vom Arbeitgeber ausgewählten Teilnehmern lediglich widersprochen hat. Hat der Betriebsrat allerdings andere Teilnehmer genannt und führt der Arbeitgeber dennoch die Berufsbildung mit den von ihm ausgewählten Teilnehmern durch, ist auch bei einmaliger Durchführung ein grober, einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG begründender Verstoß gegeben (BAG v. 18.3.2014 – 1 AB 77/12, juris).

 

Rz. 1088

Der Begriff der "Durchführung" der Berufsbildungsmaßnahmen ist weit auszulegen. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die zur Sicherung des geordneten Ablaufes der betrieblichen Bildung notwendig sind. Da die Berufsbildung weitgehend gesetzlich geregelt ist (vor allem im BBiG und den nach BBiG und HandwO erlassenen Ausbildungsordnungen) und der Vorrang dieser gesetzlichen Regelungen zu beachten ist, kann sich das Mitbestimmungsrecht nur auf die Anpassung dieser Vorschriften an die betrieblichen Verhältnisse und deren Ausfüllung beziehen.

 

Rz. 1089

Zur Berufsbildung gehören alle Maßnahmen, die über die – mitbestimmungsfreie – Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Aufgaben und Verantwortung, die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs sowie über Unfall- und Gesundheitsgefahren und die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren im Sinne des § 81 BetrVG hinausgehen, indem sie ihn zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit erst befähigen.

 

Rz. 1090

Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung sind auch Lehrgänge, die dem Arbeitnehmer die für die Ausfüllung seines Arbeitsplatzes und seiner beruflichen Tätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verschaffen sollen (BAG v. 26.4.2016 – 1 ABR 21/14, juris). Es gehören dazu auch alle Maßnahmen, die den Arbeitnehmern in systematischer, lehrplanartiger Weise Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die sie zu ihrer beruflichen Tätigkeit im Allgemeinen befähigen; hierzu gehören allerdings nicht Einweisungen für Verkäufer in bestimmte Zusatzaufgaben wie Geldzählen, Tagespläne schreiben, Mini-Meetings für Mitarbeiter halten, Erstellung von Personaleinsatzplänen, Führen von Bewerbergesprächen, Führen von Kundengesprächen in Problemfällen (LAG Rheinland-Pfalz v. 23.3.2017 – 6 TaBV 21/16, juris). Hierzu gehören auch nicht "Team-Events" für Gruppenleiter zur Bildung von Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl, wenn diesen keine systematische oder didaktische Vermittlung eines Lernziels zugrunde liegt (LAG Nürnberg v. 25.4.2017 – 6 TaBV 53/16, juris). Dasselbe gilt für "Side-by-Side-Coaching" (LAG Köln v. 16.1.2017 – 9 TaBV 77/16, juris).

 

Rz. 1091

Bei Einzelmaßnahmen ggü. einem Auszubildenden besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. So kann er z.B. keinen Einfluss auf die Zuteilung eines einzelnen Auszubildenden an einen bestimmten Ausbilder oder auf Einzelunterweisungen nehmen.

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