a) Erforderlichkeit

 

Rz. 897

Es kann sein, dass die umfassende Unterrichtung durch den Arbeitgeber, die Auswertung einschlägiger Unterlagen und selbst die Hinzuziehung von betriebsinternen Auskunftspersonen nicht ausreichen, um dem Betriebsrat eine eigenverantwortete Entscheidung anstehender Sachfragen zu ermöglichen. § 80 Abs. 3 BetrVG sieht für diesen Fall vor, dass der Betriebsrat "nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber" Sachverständige hinzuziehen kann, "soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist".

 

Rz. 898

Als notwendig kann sich die Beratung durch Sachverständige insb. bei der Analyse von Bilanzen oder des Geschäftsberichtes des Unternehmens, bei versicherungsmathematischen Fragen im Zusammenhang mit Fragen der betrieblichen Altersversorgung, bei Fragen im Zusammenhang mit der Installierung von EDV-Systemen oder bei der Einführung einer neuen Entlohnungsmethode erweisen. Erforderlich ist die Einschaltung von Sachverständigen erst, wenn der Betriebsrat alle betriebsinternen Informationsquellen ausgeschöpft und zuvor auch das Angebot auf Unterrichtung durch betriebliche Fachkräfte angenommen hat und wenn gleichwohl offene Fragen verblieben sind (im Einzelnen – mit Blick auf EDV-Systeme – BAG v. 26.2.1992 – 7 ABR 51/90, juris; zuvor schon BAG v. 4.6.1987 – 6 ABR 63/85, juris).

 

Rz. 899

Bei Fragen Künstlicher Intelligenz entfällt die Prüfung, ob Informationsbedürfnisse des Betriebsrats durch innerbetriebliche Auskunftspersonen gedeckt werden können (Fitting, § 80 Rn 94). Allerdings muss dargelegt werden, inwieweit die Aufgabe des Betriebsrats mit der Einführung oder Anwendung Künstlicher Intelligenz zusammenhängt. Der Begriff der Künstlichen Intelligenz ist im Gesetz nicht definiert – man wird von automatisierten Vorgängen ausgehen, bei denen eine Software menschenähnliches Verhalten abbilden und Entscheidungen oder Entscheidungsvorschläge etwa aufgrund von Algorithmen auswerfen (vgl. DKW/Buschmann, § 80 Rn 158a).

 

Rz. 900

 

Hinweis

Die Betriebsratsmitglieder haben sich um die selbstständige Aneignung der notwendigen Kenntnisse zu bemühen und ggf. weitere, ihnen vom Arbeitgeber angebotene Möglichkeiten der Unterrichtung durch sachkundige Arbeitnehmer des Betriebes oder Unternehmens zu nutzen. Der Betriebsrat darf dies nicht mit der pauschalen Begründung ablehnen, diese Personen besäßen nicht das Vertrauen der Betriebsratsmitglieder. Außerdem kann der Betriebsrat die Hinzuziehung eines Sachverständigen immer erst dann verlangen, wenn er das Verfahren nach § 80 Abs. 2 BetrVG – Auskunftsverlangen und Unterrichtung durch den Arbeitgeber – erfolglos durchgeführt hat. Er muss dabei von sich aus an den Arbeitgeber herantreten, wenn er die Unterrichtung für unzureichend hält, und um weitere Auskünfte bitten. Dies gilt auch dann, wenn dem Betriebsrat Rechtskenntnisse fehlen. Diese kann der Betriebsrat auch durch die ihm zugängliche Fachliteratur, durch Einzelauskünfte der Gewerkschaft oder durch Rechtsprechungsrecherchen erwerben. Auf vorherige Schulungsmaßnahmen kann der Betriebsrat dagegen nicht verwiesen werden (BAG v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, juris). Der gerichtliche Antrag auf Zustimmung zur Einschaltung eines Sachverständigen kann erst erfolgreich sein, wenn der Betriebsrat im Einzelnen dargelegt hat, dass entsprechende Maßnahmen und Auswertungen nicht zur Aufgabenerfüllung – hier Kontrolle der Formularverträge – genügt haben (BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05, juris).

b) Abschluss einer Vereinbarung und Kostentragungspflicht

 

Rz. 901

Die Erforderlichkeit ist dabei keine Ermessensfrage, sondern eine gerichtlich überprüfbare Rechtsfrage. Selbst wenn die Hinzuziehung eines Sachverständigen objektiv erforderlich ist, bedarf es zur Durchsetzung des Beratungsanspruches zunächst einer näheren Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat kann also nicht von sich aus, ohne dass er mit dem Arbeitgeber eine Absprache über die Person des Sachverständigen, über den Inhalt, die Kosten und den Zeitpunkt der Beratung getroffen hätte, einen Sachverständigen bestellen, wenn dessen Kosten vom Arbeitgeber getragen werden sollen. Diese Absprache mit dem Arbeitgeber muss vor der Bestellung des Sachverständigen erfolgt oder ggf. gerichtlich ersetzt worden sein. Eine nachträgliche gerichtliche Feststellung der Erforderlichkeit genügt nicht (BAG v. 19.4.1989 – 7 ABR 87/87, juris; BAG v. 25.7.1989 – 1 ABR 41/88, juris; BAG v. 26.2.1992 – 7 ABR 51/90, juris; a.A. DKW/Buschmann, § 80 Rn 155 m.w.N.).

 

Rz. 902

 

Hinweis

Verweigert der Arbeitgeber eine Vereinbarung über den Sachverständigen, muss der Betriebsrat auf Ersetzung der Zustimmung zum Angebot einer entsprechenden Vereinbarung klagen. Dieser Antrag muss Angaben zum Thema enthalten, zu dessen Klärung der Sachverständige hinzugezogen werden soll, und die Person des Sachverständigen bezeichnen (BAG v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, juris). Der Betriebsrat soll nicht verpflichtet sein, vor Beauftragung eine Ausschreibung nach vergaberechtlichen Vorschriften durchzuführen (LAG Berlin-Brandenburg v. 9.3.2016 – 24 TaBV 1939/15, juris).

 

Rz. 9...

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